

Die Mentalität der Offenbacher Kickers hat sich geändert: Zeit zum Durchatmen bleibt dem Trainerteam um Christian Neidhardt nicht.
Offenbach – Seit Montag geben die Regionalliga-Fußballer der Offenbacher Kickers wieder Vollgas. Das jedenfalls verkündete ihr Trainer Christian Neidhart am späten Freitagabend nach dem 2:0-Heimsieg gegen die bis dahin punktgleichen Stuttgarter Kickers. Weil nach dieser Partie schon klar war, dass der OFC den achten Spieltag als Tabellenführer beenden würde, konnte man das „Wochenende genießen“. Zumindest der Fußball-Stab. „Die Spieler konnten mal durchatmen“, sagte Neidhart. „Als Trainerteam müssen wir uns immer direkt auf das nächste Spiel vorbereiten.“ Und so beobachteten sie am Samstag den Gegner – auf dem Haarwasen. Dort empfing der TSV Steinbach Haiger den FSV Mainz 05 II, der am Freitag (19 Uhr) bei den Kickers zu Gast ist.
Die zweite Mannschaft der Rheinhessen-Bundesliga verlor zuletzt zweimal: 2:3 in Walldorf und 1:2 in Steinbach. Die 05er sind Tabellenzehnter und damit auf dem Papier Außenseiter. Doch auch Hoffenheim II lag vor dem Spiel in Offenbach (0:0) auf dieser Position und ist nun Zweiter. Beim SC Freiburg II (2:2) musste sich der OFC zudem mit einem Unentschieden zufrieden geben. Negativ ist auch die Bilanz in Mainz (ein Sieg, zwei Unentschieden, vier Niederlagen), wo man zuletzt dreimal in Folge verlor.
Bescheidenheit trotz Tabellenführung
Allerdings ist die aktuelle Kickers-Mannschaft eine ganz andere als in der vergangenen Saison. „Letztes Jahr hatten wir einige Jungs, die ihren eigenen Fußball spielen wollten“, berichtet Neidhart. Das Ergebnis ist bekannt: Platz elf, Wehmut, aber keine Aufregung. „Ich bin trotzdem demütig, weil ich weiß, dass wir in allen Bereichen Ruhe hatten. Und ich bin froh, dass wir Veränderungen vornehmen konnten und die Ergebnisse stimmen“, betont der 55-Jährige zugleich. „Zum jetzigen Zeitpunkt wäre ich auch zufrieden, wenn die Ergebnisse stimmen und wir nicht auf Platz eins landen.“ Die Entwicklung der Mannschaft hält der Coach nach wie vor für wichtiger als die Tabelle. Und damit ist er sehr zufrieden.
Konvertierung und Videoanalyse lohnen sich
Die Verteidigung von Standardsituationen war in der vergangenen Saison nicht die Stärke des OFC. Nun sagt Trainer Christian Neidhart: „Es sieht besser aus. Wir sind natürlich nicht bei 100 Prozent. Aber man kann nicht alles verteidigen.“ In Freiburg und Bahlingen etwa kassierte man je ein Gegentor nach einer Ecke. Generell scheint sich die Umstellung auf eine kombinierte Zonenverteidigung aber auszuzahlen. Neidhart führt das auch auf die Arbeit von Videoanalyst Fabio Audia zurück: „Er redet viel mit den Jungs.“ cd
Besonders auffällig ist die starke Defensivarbeit des OFC, der in den letzten beiden Topspielen kaum Großchancen zuließ. Das ist überraschend, denn die Kickers standen in der vergangenen Saison hinten nicht annähernd so solide (49 Gegentore) und in der Nummer sechs Daniel Dejanovic gab es für diesen Mannschaftsteil nur einen Spieler. „Auf die Frage, warum fast nur Offensivspieler geholt wurden, habe ich gesagt, das Defensivverhalten sei die Arbeit des Trainers“, berichtete Neidhart. Man müsse sich die ganze Mannschaft anschauen. „Das fängt ganz vorne an, nicht nur bei den Innenverteidigern oder denen, die hinten die Kette bilden.“ Auch die Spieler hätten „ein ganz anderes Gefühl“, denn die Tabellensituation wirke sich positiv auf ihr Selbstvertrauen aus: „Wenn ich sehe, wie abgeklärt sie hinten voll aufspielen.“ Die Mentalität beim Verteidigen habe sich komplett geändert. Einer, der das lebt, ist Innenverteidiger Alexander Sorge. „Wenn er den Ball klärt und feiert, reißt er die anderen Jungs mit.“
Doch Neidhart sieht alles längst nicht mehr durch die rosarote Brille. „Natürlich gibt es Dinge, die wir kritisieren. Und Spielglück gehört auch dazu“, sagt der erfahrene Coach. In Trier (3:0) und gegen die Stuttgarter Kickers (2:0) hätte der OFC durchaus in Rückstand geraten können. Deshalb bleibe er „ruhig und sachlich“. Erst nach zehn Spieltagen könne man sagen, ob sich ein Trend abzeichne.
Krankheitswellen ebben nicht ab
Die aktuelle Situation sei dennoch komfortabel. „Letzte Saison hatten wir keine Konstanz und waren nie in diesen Bereichen. Wenn man jetzt verliert, ändert sich nicht viel. Die Mannschaft hat sich selbst in diese Situation gebracht.“
Eines haben die Kickers allerdings noch nicht geschafft. Sie werden weiterhin von Krankheitswellen heimgesucht. Zuletzt sorgte ein Virus dafür, dass Kapitän und Direktor Marc Wachs bei der Partie gegen die Stuttgarter Kickers aussetzen musste, die etatmäßigen Rechtsverteidiger Vincent Moreno und Jayson Breitenbach saßen nur für den Notfall auf der Bank. Neidhart vermutet, dass das Virus bereits vor dem Spiel in Trier die Runde gemacht hatte. Damals fehlte Moreno, Wachs und Breitenbach waren „erschöpft“. Dass beide Spiele gewonnen wurden, sei deshalb „umso beeindruckender“, sagte Neidhart, der selbst kürzlich erkältet war. Co-Trainer Jouke Faber fehlte zuletzt sogar.
Von Christian Düncher