Das Rennen ist knapp, die Zeit drängt: Nur noch rund sechs Wochen bis zur Wahl der Wählerinnen und Wähler im USA über einen neuen Präsidenten entscheiden. Für Kamala Harris und Donald Trump zählt im Wahlkampf jede Minute. Die Demokratin und der Republikaner werden bis zur Abstimmung am 5. November vor allem dorthin reisen, wo sich die Wahl letztlich entscheiden wird – in die sogenannten „Swing States“.
Dies sind einige Staaten im politischen Zentrum, die bei den vergangenen Wahlen mit einer Mehrheit für die eine oder andere Partei gestimmt haben. Sie „oszillieren“ zwischen Demokraten und Republikaner sind sie der entscheidende Faktor. Deshalb konzentriert sich der Wahlkampf in diesem Jahr auf lediglich sieben Staaten.
Der Grund dafür liegt im Wahlsystem. Wer Präsident wird, entscheidet nicht die Gesamtzahl der landesweit abgegebenen Stimmen, sondern die von 538 Delegierten aus den Bundesstaaten. Die sogenannten Electors werden aus den einzelnen Bundesstaaten und aus der Hauptstadt Washington entsandt, und zwar proportional zur Bevölkerungszahl. In fast allen Bundesstaaten gilt: Liegt ein Kandidat vorne, bekommt er alle Electors dieses Staates zugesprochen, unabhängig vom genauen Stimmenverhältnis.
Besonders wichtig: Mittlerer Westen und Sun Belt-Staaten
In vielen Staaten ist aufgrund der vergangenen Wahlen und der aktuellen Umfragen klar, wer gewinnen wird: Kaliforniens 54 Stimmen gehen definitiv an die Demokraten, Texas‘ 40 Stimmen an die RepublikanerIm reichen und gebildeten Nordosten neigen die Menschen eher dazu, die Demokraten zu wählen, während im tiefen Süden eher die Republikaner punkten.
Eine knappe Entscheidung erwarten Experten in zwei Staaten im Norden der USA, Wisconsin und Michigan im sogenannten „Mittleren Westen“. Das gilt auch für Ost-Pennsylvania und vier Staaten im „Sun Belt“ der USA, die für ihr mildes und sonniges Klima bekannt sind. Nevada und Arizona liegen im Westen des „Sun Belt“, Georgia und North Carolina im Osten.
Pennsylvania (19 Wahlmänner)
Pennsylvania gilt vielen US-Analysen als der vielleicht wichtigste Bundesstaat bei der Wahl. Aufgrund der hohen Zahl an Wahlmännerstimmen ist ein Gesamtsieg beider Kandidaten ohne diesen Staat deutlich schwieriger. Wichtige Themen in dem von einer starken Mittelschicht geprägten Bundesstaat sind die hohen Lebenshaltungskosten und die umstrittene Förderung von Erdgas durch Fracking. Harris hat hier in den Umfragen immer einen knappen Vorsprung gehabt.
Georgien (16 Wahlmännerstimmen)
Nach sechs Siegen für die Republikaner konnte Joe Biden 2020 erstmals den Südstaat Georgia für die Demokraten sichern. Besonders wichtig für diesen Erfolg war ein hoher Stimmenanteil unter den Schwarzen, die dort rund ein Drittel aller Wähler stellen. Im Frühjahr hatten Umfragen allerdings gezeigt, dass Biden vor allem unter jüngeren Schwarzen an Boden verliert. Harris hat den Rückstand nur teilweise aufgeholt. In Georgia droht zudem ein weiteres langes Tauziehen um die Stimmenauszählung. Zuletzt hatte die stramm konservative Wahlaufsicht entschieden, dass alle Stimmen per Hand überprüft werden müssen. Damit scheinen Auseinandersetzungen über Tage und Wochen möglich.
North Carolina (16 Wahlmänner)
Eigentlich ist North Carolina konservativ: Mit Ausnahme von Barack Obama im Jahr 2008 hat der Staat stets den republikanischen Präsidentschaftskandidaten gewählt. Doch mit vielen Neuzugängen und einem hohen Anteil Schwarzer hofft Vizepräsidentin Harris auf eine Überraschung. Dafür könnte auch eine erneute Wahl am 5. November im Sun Belt-Staat sorgen, denn auch North Carolina wählt einen neuen Gouverneur. Die Republikaner haben mit Mark Robinson einen extremen Kandidaten nominiert, der den Holocaust leugnet, ein Abtreibungsverbot durchsetzen will und zuletzt mit einem Skandal um Beiträge in Internet-Pornoforen Schlagzeilen machte.
Michigan (15 Wahlmänner)
Michigans demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer erfreut sich großer Beliebtheit. Vor zwei Jahren sicherte sie sich ihre Wiederwahl mit einem Vorsprung von fast zehn Prozentpunkten. Das Ergebnis im November wird sicher nicht so eindeutig ausfallen: 2016 war Donald Trumpf hier lag der Staat nur um 11.000 Stimmen vorn; 2020 gewann Biden den Staat mit rund zwei Prozentpunkten Vorsprung. Ob sich dieser Erfolg für die Demokraten wiederholen lässt, ist unklar, denn in dem Industriestaat leben besonders viele Arabischamerikaner, die Bidens Unterstützung für Israel kritisch gegenüberstehen.
Arizona (11 Wahlmänner)
Arizona, an der südlichen Grenze östlich von Kalifornien gelegen, spielt sowohl für die Präsidentschaft als auch für die Mehrheit im Senat eine Schlüsselrolle. Der progressive Demokrat Ruben Gallego tritt bei der Senatswahl in Arizona gegen Trumps Freundin Kari Lake an, die bereits im Rennen um das Gouverneursamt 2022 unterlag. Ein Referendum über das Abtreibungsrecht könnte dort zudem weitere demokratische Wähler motivieren.
Wisconsin (10 Wahlmänner)
Besonders umkämpft ist Wisconsin: 2016 gewann Trump dort gegen Hillary Clinton, 2020 lag Biden vor Trump. Beide Male betrug der Unterschied nur rund 20.000 Stimmen bei rund drei Millionen abgegebenen Stimmen. Kandidaten von Drittparteien könnten in Wisconsin deshalb eine besonders wichtige Rolle spielen, wenn sie Harris oder Trump um Stimmen herausfordern.
Nevada (6 Wahlmänner)
Nevada schickt zwar nur wenige Wahlmänner nach Washington, doch auch sie könnten entscheidend sein. In dem Silber- und Wüstenstaat im Südwesten sind vor allem wirtschaftliche Themen wichtig: Die Erholung nach der Corona-Pandemie verläuft schleppend, die Arbeitslosigkeit gehört zu den höchsten in den USA. Rund drei Viertel der Menschen in Nevada leben in und um die Glücksspielmetropole Las Vegas. Seit 1976 gewannen sowohl Republikaner als auch Demokraten den Staat jeweils sechsmal.
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