
Mit Raffaele Fitto wird erstmals ein Politiker der rechtsgerichteten italienischen Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) zu einem der Vizepräsidenten der EU-Kommission ernannt. Das gab die zuständige Präsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament in Straßburg bekannt. Fitto war zuvor Europaminister in der Regierung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und soll nun Kommissar für Kohäsion und Reformen werden.
Damit wäre er unter anderem für den Europäischen Sozialfonds und einen Fonds für regionale Entwicklung verantwortlich. Darüber hinaus soll die Stelle dazu beitragen, die ärmsten Regionen der EU besser zu unterstützen.
Die Ernennung Fittos birgt für von der Leyen ein politisches Risiko, da die Mehrheit der Abgeordneten der neuen Kommission zustimmen muss. In der Vergangenheit wurden bereits mehrere unpopuläre Kandidaten abgelehnt. Der Italiener gilt als umstritten, weil er gehört zu Melonis rechter Partei.
Politiker von Grünen, SPD und Linken im Europaparlament kritisieren die EU-Kommissionspräsidentin für ihre Entscheidung. „Ursula von der Leyen belohnt rechte Nationalisten“sagte der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, René Repasi. Er hätte von der Leyen mehr Fingerspitzengefühl erwartet.
Noch schärfere Kritik kommt aus den Reihen der Grünen. Die Personalentscheidung sei sehr ärgerlich, sagte Europaabgeordneter Rasmus Andresen. „Die Tatsache, dass Raffaele Fitto, Vertreter einer rechtsextremistischen Partei das Amt des Executive Vice President bekommen soll, ist völlig unverständlich“, sagte der Norddeutsche.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, sprach von Fitto ist eine Marionette des italienischen Ministerpräsidenten Giorgia Meloni, die neue Kommissionszusammensetzung sei eine Kapitulation vor der Rechten. Grüne und SPD kritisierten zudem, dass es in den politischen Spitzenpositionen der EU-Kommission künftig wohl mehr Männer als Frauen geben werde.
Unterstützung aus konservativen Kreisen
Doch es gibt auch andere Stimmen. In Brüssel gilt Fitto vielen als moderat und vor allem proeuropäisch. EVP-Chef Manfred Weber (CSU) bezeichnete ihn gar als „Brückenbauer“. Er sei ohne Zweifel bestens für den Job geeignet, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Kommission müsse eine Kommission sein, die Europa zusammenbringe. Und deshalb setze er sich aktiv dafür ein, dass Italien in der Kommission gut vertreten sei.
Die EU-Kommission mit einem Apparat von rund 32.000 Mitarbeitern schlägt der Staatengemeinschaft Gesetze vor und überwacht die Einhaltung des EU-Rechts. Geht es nach von der Leyen, soll die neue Kommission am 1. November ihre Arbeit aufnehmen. Ob das funktioniert, bleibt abzuwarten.
Wochenlang arbeitete von der Leyen intensiv an der Zusammenstellung ihres Personalpakets. In den sozialen Medien und hinter verschlossenen Türen wurde viel darüber spekuliert, wer welchen Posten übernehmen wird.
Von der Leyen kündigt weitere personelle Veränderungen an
Von der Leyen hat zudem vier neue EU-Kommissare und deren Ressorts für die laufende Legislaturperiode vorgeschlagen. Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten muss die neue Kommission noch bestätigen. Voraussichtlich im Oktober beginnen die Anhörungen der vorgeschlagenen Kommissare. In der Regel scheitert dabei mindestens ein Kandidat.
Designierter EU-Kommissar für Inneres und Migration ist der österreichische Politiker und amtierende Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). „Er wird sich natürlich auf die Umsetzung des Pakts für Asyl und Migration konzentrierensondern auch um die Stärkung der Grenzen und die Entwicklung einer neuen Strategie für die innere Sicherheit“, sagte von der Leyen zu ihrer Nominierung.
Erstmals soll es in der neuen EU-Kommission einen Kommissar für den Mittelmeerraum geben. Nach früheren Angaben aus Kommissionskreisen soll sich dieser ebenfalls auf das Thema Migration konzentrieren. Die kroatische Politikerin Dubravka Suica ist für diesen neuen Posten vorgesehenSie werde für die erweiterte südliche Nachbarschaft der EU zuständig sein und die europäischen Interessen in der Region vertreten, erklärte von der Leyen.
Litauens ehemaliger Premierminister Andrius Kubilius wird erster EU-Verteidigungskommissar„Er wird daran arbeiten, die Europäische Verteidigungsunion weiterzuentwickeln und unsere Investitionen und industriellen Kapazitäten zu stärken“, sagte von der Leyen. Mit dem neuen Posten will die EU-Kommissionspräsidentin Verteidigungs- und Rüstungspolitik auf EU-Ebene stärkenDarüber hinaus ist geplant, Investitionen in Rüstungsprojekte zu erleichtern.
Angesichts der möglichen Wiederwahl des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine steht die EU vor mehreren Sicherheitsherausforderungen Derzeit gibt es Bestrebungen, Europa militärisch unabhängiger zu machen.
Kubilius wird voraussichtlich eng mit der Estin Kaja Kallas zusammenarbeiten, der von der Leyen in ihrer neuen Kommission den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik übertragen hat. Der Posten bringt einige Herausforderungen mit sich. Pläne für Die Schaffung eines Binnenmarkts für Verteidigung stößt häufig auf Widerstandinsbesondere aus Ländern, die dadurch benachteiligt wären. Zumal der Verteidigungssektor häufig ein national ausgerichteter Bereich ist.
Kubilius, der zweimal litauischer Ministerpräsident war, ist seit 2019 Mitglied des Europaparlaments. Der 67-jährige Politiker gehört dem europäischen Mitte-Rechts-Bündnis EVP an.
Eine weitere neu geschaffene Position ist die eines Beauftragten für Wohnungswesen. Diese Funktion soll der dänische Sozialdemokrat Dan Jorgensen übernehmen. In seinen Zuständigkeitsbereich fällt auch das Ressort Energie.
Die neue Kommission besteht zu 40 Prozent aus Frauen
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra bleibt zwar im Amt, sein Aufgabenbereich soll aber neu definiert werden und künftig Klima und sauberes Wachstum verknüpfen. „Um den Klimawandel zu bekämpfen und unsere Wirtschaft voranzubringen, müssen wir beides enger zusammenbringen“, sagte Hoekstra am Dienstag auf X, ehemals Twitter.
Bei den Ernennungen wollte von der Leyen zudem darauf achten, dass in der Kommissionsspitze ein ähnliches Verhältnis von Männern und Frauen herrscht. Dieses Ziel wurde wohl verfehlt. Derzeit sieht es so aus, als würde die nächste Kommission mehr Männer als Frauen haben, da zahlreiche Staats- und Regierungschefs von der Leyens Aufforderung, jeweils eine Frau und einen Mann zu nominieren, nicht gefolgt sind. Die neue Kommission werde zu 40 Prozent aus Frauen bestehen, sagte von der Leyen am Dienstag in Straßburg. (dpa)