Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erstmals seine Bereitschaft zur Teilnahme Russlands an einer zweiten Ukraine-Friedenskonferenz zum Ausdruck gebracht. „Ich glaube, dass russische Vertreter am zweiten Gipfel teilnehmen sollten“, sagte Selenskyj laut AFP am Montag auf einer Pressekonferenz in Kiew.
Es sei „das erste Mal, dass Selenskyj Gespräche mit Russland erwägt, ohne vorher auf einem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine zu bestehen“, schreibt die AFP. Selenskyj wolle hierfür einen Plan vorlegen: „Ich habe mir die Aufgabe gestellt, im November einen vollständig ausgearbeiteten Plan vorzulegen. Wenn der Plan fertig ist, wird alles für den zweiten Gipfel bereit sein.“ Vorbereitende Verhandlungen seien bis dahin in Katar geplant, im Sommer in der Türkei und im September in Kanada, sagte Selenskyj, der bereits einen Friedensplan vorgelegt hat. Ein zentraler Punkt darin war der vollständige Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Moskau hatte dies als unrealistisch zurückgewiesen.
Die erste Reaktion aus Moskau ist ablehnend, kommt aber nicht aus den obersten Rängen der politischen Führung des Kremls: Russland werde an einem solchen Gipfel unter der Leitung Selenskyjs nicht teilnehmen, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses der russischen Staatsduma, Leonid Sluzki, laut dpa. Er bezeichnete die ukrainische Führung als vom Westen kontrollierte „Marionetten“, die sich von Moskau nicht ihre Bedingungen diktieren ließen. Sluzki sagte, Russland erkenne Selenskyj nach dem offiziellen Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr als Präsidenten an. Wegen des Kriegsrechts wird Selenskyj vom Westen zwar noch immer als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt. Russland erkennt allerdings nur das Parlament und dessen Vorsitzenden als legitim an.
Aus Washington gab es dagegen eine positive Reaktion. Es liege an der Ukraine, „zu entscheiden, wann und wie und unter welchen Bedingungen sie diplomatische Verhandlungen aufnimmt“, sagte US-Außenministeriumssprecher Matthew Miller in Washington. „Wir unterstützen die ukrainische Regierung.“ Miller sagte laut dpa: „Die Ukraine ist hier das Opfer, die Ukraine sieht, wie ihr Land besetzt wird.“ Daher entscheide sie, ob und in welchem Format es Verhandlungen gebe. „Aber es war nie klar, ob der Kreml zu echter Diplomatie bereit ist“, so Miller. Die USA hatten sich schon vor dem Krieg für eine diplomatische Lösung des Konflikts stark gemacht.
Ein erster Gipfel im vergangenen Monat in der Schweiz brachte trotz der Beteiligung von über 90 Ländern kein Ergebnis, da Russland nicht eingeladen war. Auch China sagte daraufhin seine Teilnahme ab.
Selenskyj sagte, die Ukraine werde vom Westen nicht unter Druck gesetzt, Verhandlungen mit Russland aufzunehmen. Militärische oder finanzielle Unterstützung des Westens werde nicht von Gesprächen mit dem Kreml abhängig gemacht, betonte er laut AFP gegenüber Journalisten. Für Selenskyj ist die Lage schwierig: Extreme Nationalisten haben wiederholt gedroht, den Präsidenten zu töten, sollte er Gespräche mit Russland aufnehmen.
Die USA halten allerdings an ihrer Entscheidung fest, den Einsatz der gelieferten Waffen für Angriffe auf Militärbasen im russischen Hinterland nicht zuzulassen. Erlaubt seien Angriffe auf russische Regionen in Grenznähe, von denen aus Luftangriffe gegen die Ukraine geflogen würden, sagte Ministeriumssprecher Miller. Weiter gehen wollen die USA aber nicht. Miller sagte, die USA beliefern die Ukraine bereits seit mehr als zwei Jahren mit Waffen zur Verteidigung gegen russische Angriffe. Ziel sei es, das Land mit einem Luftabwehrsystem und den angekündigten F-16-Kampfflugzeugen auszustatten, damit es sich vor russischen Luftangriffen schützen könne.
Seit Kriegsbeginn hat die Ukraine mindestens vier Patriot-Systeme erhalten, davon allein drei aus Deutschland. Laut dpa wurden allerdings mehrere Startrampen durch russische Luftangriffe entweder zerstört oder beschädigt. Ein Komplettsystem aus Radar, Antennen, Feuerleit- und Kommandostand sowie mehreren Startrampen kostet umgerechnet mehrere Hundert Millionen Euro. Der Stückpreis für eine moderne Flugabwehrrakete beträgt nach verschiedenen Quellen umgerechnet knapp über drei Millionen Euro. (mit AFP und dpa)
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