- Im Rahmen der Interkulturellen Woche sollte in Pirna eine Wanderausstellung zum Thema Flüchtlinge gezeigt werden.
- Wegen „polarisierender Wirkung“ ließ die Kreisverwaltung die Ausstellung noch vor der geplanten Eröffnung am 25. September abbauen.
- Die Entscheidung löste eine Welle der Empörung aus – von den Veranstaltern bis hin zum Sächsischen Ausländerbeauftragten.
Landratsamt Pirna schließt Ausstellung vor Eröffnung
In einer Stellungnahme schreibt das Bezirksamt: „Die Ausstellung polarisierte bereits in den ersten Stunden nach ihrer Aufhängung und sorgte für eine aufgeheizte Stimmung unter den anwesenden Betrachtern.“
Mitorganisator Werner Lobeck glaubt, dass die Inhalte der Ausstellung nicht verstanden worden seien. In den Interviews, auf denen die Ausstellung basierte, hätten die Flüchtlinge von ihrem Schicksal berichtet, und am Ende sei immer wieder gefragt worden, wie es ihnen in Deutschland gefallen habe und welche Probleme es gebe: „Wir halten es für ganz wichtig, dass das dargestellt wird, um Integration zu ermöglichen bzw. zu fördern“, erklärte Lobeck.
„Hat verständlicherweise Unmut bei den Bürgern hervorgerufen“
Das Bezirksamt zitiert aus diesen veröffentlichten Interviews und greift dabei einzelne Schilderungen von Flüchtlingen heraus. So finden sich Sätze wie: „Wir sind eingesperrt wie hinter einer Mauer“, „Ich habe in Deutschland kein Leben“, „Ich weiß nicht, ob ich hier bleiben will.“ Oder, in Bezug auf Erfahrungen mit der Polizei, der Eindruck, „man wird nur kontrolliert, weil man schwarz ist.“
Das Landratsamt ist der Ansicht, dass derartige Äußerungen „bei Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landratsamtes verständlicherweise Unmut und Unverständnis über die gezeigte Ausstellung hervorrufen.“ Aus diesem Grund habe man sich dazu entschlossen, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und die Ausstellung umgehend abbauen zu lassen.
Große Kritik an der Kreisverwaltung: „Fatale Folgen“
Eine Entscheidung, die für viele kein Verständnis darstellt – zumal nicht bekannt ist, wer sich tatsächlich beschwert hat und wie viele Beschwerden eingegangen sind. Der Ökumenische Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche sieht das Vorgehen kritisch, spricht von fatalen Konsequenzen und will das Gespräch mit der Kreisverwaltung suchen.
Auch Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth hat kein Verständnis für den Abbau und kennt die Bilder aus der Ausstellung in der Arbeitsagentur in Chemnitz. Die Wanderausstellung war im Frühsommer an der Berufsakademie Sachsen in Breitenbrunn zu Gast und für die Öffentlichkeit zugänglich. Damals gab es nur positives Feedback, wie Professorin Carola Sommer berichtet: „Ich habe mich gefreut, dass sie hier lief. Es war wirklich ein toller Erfolg.“
Auch im Sächsischen Landtag war die Ausstellung zu sehen; die Grünen ließen die Bilder auf dem Weg zum Plenarsaal aufhängen. Die dokumentierten Geschichten stießen über alle Fraktionen hinweg auf großes Interesse, wie die ehemalige Abgeordnete Ines Kummer betonte. Die Entscheidung des Landratsamtes Pirna konnte sie nicht nachvollziehen: „Mit so einer Reaktion hätte ich nie gerechnet. Ich war ziemlich geschockt.“
Kummer hätte sich gewünscht, dass auch die geschilderten Erlebnisse einzelner Migranten thematisiert würden und man das Gespräch mit empörten Besuchern oder Mitarbeitern suche und hinterfrage, warum sich die Migranten so äußerten: „Vielleicht war es der Weg des geringsten Widerstandes, die Ausstellung wieder abzubauen“, kritisiert sie.
Nächste Termine in Grünhain-Beierfeld und Dresden
Auch wenn die Ausstellung in diesem Jahr nicht Teil der Interkulturellen Woche in Pirna ist, wurde den Veranstaltern angeboten, im nächsten Jahr nach einem geeigneten Standort in der Stadt zu suchen. Ob sie in Pirna wieder Interesse haben, wissen die Aussteller um Werner Lobeck allerdings noch nicht.
Die nächsten Termine sind bereits gebucht, unter anderem im erzgebirgischen Grünhain-Beierfeld und in Dresden, in den Dienststellen der Sächsischen Ausländerbeauftragten.