
Zu denen, die den Ausbau der Grenzkontrollen in Deutschland kritisch sehen, zählt auch der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er sei nicht begeistert vom deutschen Vorpreschen, sagte Juncker am Montag im Deutschlandfunk. Er verstehe zwar temporäre Grenzkontrollen, aber wenn diese einen systematischen Charakter annehmen, sei das das Ende der Schengen-Logik, fügte der Luxemburger hinzu.
Seit Montag gibt es Kontrollen nicht nur an den Grenzen zwischen Deutschland und Luxemburg, sondern auch an den Übergängen nach Dänemark, in die Niederlande, nach Belgien und Frankreich. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Ausweitung der Kontrollen bereits vor einer Woche nach der Messerattacke in Solingen angekündigt.
Ist damit die Logik des Schengen-Raums, in dem der freie Verkehr von Waren und Personen gewährleistet sein soll, beendet? Die Erfahrungen mit den zusätzlichen Kontrollen an den nördlichen und westlichen Landesgrenzen vom Montag deuten darauf hin, dass Pendler und Warenverkehr nicht übermäßig belastet wurden.
Neu sind etwa die Kontrollen auf der A44 bei Aachen, wo Bundespolizisten Einreisende aus Belgien kontrollieren. Wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur beobachtete, kam es rund um die A44 am Montag zunächst weder zu Wartezeiten noch zu Staus. Weiter südlich teilte die Stuttgarter Polizei mit, es werde nur stichprobenartig kontrolliert. Auf der Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg floss der Verkehr weitgehend. Im Fokus der Kontrollen der Bundespolizei standen nicht Pendler, sondern etwa Buspassagiere.
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Tusk nennt Kontrollen „inakzeptabel“
Passagiere an polnischen Grenzübergängen müssen bei der Einreise nach Deutschland bereits seit Oktober mit Kontrollen eines Reisebusses rechnen. Trotzdem bezeichnete Polens Ministerpräsident Donald Tusk die Ausweitung der Kontrollen auf alle deutschen Landgrenzen als „inakzeptabel“. Zudem kündigte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in Wien an, Österreich werde an der deutschen Grenze abgewiesene Menschen nicht zurücknehmen.
Dennoch zeigte sich die Bundesregierung am Montag zuversichtlich, derartige Kritik aus den EU-Nachbarländern durch Konsultationen entschärfen zu können. Wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin erklärte, suche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Kontakt zu seinen Amtskollegen, „um die Motivation und die Lage Deutschlands darzulegen und zu klären“.

© AFP/Ralf Hirschberger
Die stellvertretende Regierungssprecherin sagte, die Bundeskanzlerin habe am Wochenende nicht nur mit Tusk, sondern auch mit den Regierungschefs Österreichs und Luxemburgs sowie mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefoniert. Weitere derartige Gespräche sollen folgen.
Skeptische Grüne
Doch angesichts der Grenzkontrollen steht die Kanzlerin vor der Aufgabe, nicht nur die EU-Partner zu beruhigen, sondern auch koalitionsinterner Kritik entgegenzutreten. Vor allem die Grünen, aber auch die SPD-Linke sind skeptisch, was die Wirksamkeit der Grenzkontrollen angeht.
Während Innenminister Faeser damit rechnet, dass mit der Ausweitung der Kontrollen auch die Zahl der Zurückweisungen an den deutschen Grenzen wieder steigen werde, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag in Berlin, „nationale Alleingänge“ seien falsch. Sie warnte zudem davor, bei möglichen Zurückweisungen an der Grenze und Abschiebungen „nur auf die Zahlen“ zu schauen.
Genau dieser Aspekt soll nun aber bei einem Treffen diskutiert werden, zu dem Faeser für diesen Dienstag die europäischen Amtskollegen nach Berlin eingeladen hat. Irreguläre Migration, Menschenhandel, Schmuggel und organisierte Kriminalität stehen im Mittelpunkt des Treffens, zu dem Politiker aus Bulgarien, Frankreich, Griechenland und Italien eingeladen sind. Auch Vertreter aus Österreich und Polen sind eingeladen – jenen beiden Ländern, die die deutschen Kontrollen besonders kritisch sehen.