
Der Hersteller hatte Ingenieure aus dem Ruhestand geholt, um Probleme in laufenden Flugzeugprogrammen zu lösen. Doch im aktuellen Streik trennt sich Boeing wieder von diesen Experten.
Boeing hatte in den vergangenen Jahren viele Probleme. Die meisten drehten sich um Mängel bei der Produktion der Flugzeuge, der Qualitätskontrolle und der Sicherheitskultur. Größere Probleme mit seinen Mitarbeitern hatte der Flugzeugbauer nicht.
Das hat sich jedoch geändert, denn Boeings Mitarbeiter streiken zum ersten Mal seit 16 Jahren. Zuvor hatte eine große Mehrheit der 33.000 Mitglieder der Gewerkschaft International Association of Machinists and Aerospace Workers (IAM) ein sehr großzügiges Lohnangebot abgelehnt.
Boeing leitet Sparprogramm ein
Durch den Streik droht zudem eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Flugzeugbauers, was die Aufnahme weiterer Kredite massiv verteuern würde. Boeing reagiert darauf mit einem Kostensenkungsprogramm. Unter anderem stoppt der Konzern Neueinstellungen, kauft weniger Flugzeugteile von Zulieferern, setzt Gehaltserhöhungen für das Management aus, verbietet alle nicht zwingend notwendigen Geschäftsreisen sowie Reisen in der Business- und First Class und stellt Werbe- und Marketingmaßnahmen ein.
In einer Botschaft an die Mitarbeiter sagte Boeings Finanzvorstand Brian West zudem, Boeing erwäge „den schwierigen Schritt, in den kommenden Wochen viele Mitarbeiter und Führungskräfte vorübergehend zu beurlauben“. Und Boeing habe bereits kurzfristig Fachkräfte entlassen, berichtet die Seattle Times.
Abschied von erfahrenen Ingenieuren
Unter Berufung auf drei Quellen schreibt das Blatt, der Konzern entlasse Dutzende Ingenieure, zumeist erfahrene Rentner, die zuvor zu Boeing zurückgekehrt waren, um Probleme zu beheben, insbesondere bei den in Entwicklung befindlichen Flugzeugen 777X, 737 Max 7 und 737 Max 10, aber auch bei der 787. Einer der Betroffenen sagte, er sei mit nur einem Tag Kündigungsfrist entlassen worden, obwohl seine Arbeit vom Streik nicht betroffen war. Es sei lediglich darum gegangen, Geld zu sparen.
Tatsächlich ist für Boeing nicht nur die Frage des Großstreiks wichtig, sondern auch die Frage der erfahrenen Ingenieure. Im Mai kritisierte Aengus Kelly, Chef der Leasingfirma Aercap, Boeing in einem Interview mit dem TV-Sender CNBC, man habe während der Covid-Pandemie zu viele dieser Mitarbeiter entlassen.
Vergleich mit Airbus
„Wenn man sich die Zahl der qualifizierten Mechaniker und Ingenieure ansieht, die Boeing verlassen haben, ist das eine viel höhere Zahl als bei Airbus“, sagte Kelly, dessen Unternehmen ein wichtiger Kunde beider großen Hersteller ist. Man könne einen Starbucks-Barista nicht in sechs Monaten zum Flugzeugmechaniker ausbilden. „Es dauert Jahre und Jahre, um das institutionelle Wissen zu erlangen, wie man ein Triebwerk und ein Flugzeug baut.“