Viele junge Menschen in Deutschland haben das Gefühl, nicht ausreichend in Politik und Gesellschaft eingebunden zu sein. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des aktuellen Kinder- und Jugendberichts im Auftrag der Bundesregierung. In einer alternden Gesellschaft drohten Kinder und Jugendliche „abzuhängen“ und hätten das Gefühl, in zentralen Bereichen nichts zu bewegen, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung des Berichts.
Deshalb sei eine Stärkung der politischen Bildung und der Kinder- und Jugendarbeit wichtig, sagte Paus. Ihr Ministerium arbeite zudem an einem Nationalen Aktionsplan, der eine verbindliche und wirksame Beteiligung junger Menschen fördern soll. „Junge Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Rechte und Stimmen bei politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt werden“, so die Ministerin – sonst untergrabe dies das Vertrauen in die Politik und in demokratische Prozesse. „Nicht wenige fallen dann auf einfache Lösungen antidemokratischer Akteure herein.“ In Deutschland lebten derzeit rund 22 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
Themen wie Krieg und Klimawandel mindern das Vertrauen
Der 17. Kinder- und Jugendbericht zeige, dass sich junge Menschen neben Teilhabe auch Sicherheit und Orientierung wünschen. Das Vertrauen in eine gute Zukunft sei teilweise verloren gegangen, sagte Paus. Generell stelle der Bericht fest, dass die meisten jungen Menschen in Deutschland zwar optimistisch in die kommenden Jahre blicken, ihr Zukunftsvertrauen aber abgenommen habe. Genannt werde dabei Herausforderungen wie Krieg, Klimawandel, globale Flüchtlingsmigration und die Folgen der Pandemie. Angesichts der vielen Krisen hätten viele Kinder und Jugendliche zudem das Vertrauen in die Politik verloren, sie würden sie als kurzsichtig und intransparent wahrnehmen, so die Ministerin.
An der Erstellung des Berichts waren rund 5.400 junge Menschen im Alter von 5 bis 27 Jahren beteiligt. Ihre Stimmen und Erfahrungen wurden in Workshops und anderen Beteiligungsformaten eingebracht. Weitere Daten wurden nicht erhoben, sagte die Ko-Vorsitzende der Kommission, Karin Böllert von der Universität Münster, bei der Vorstellung. Bereits vorhandene Befunde wurden analysiert und aufbereitet. Auch frühere Kinder- und Jugendberichte wurden zum Vergleich herangezogen.
Viele junge Menschen fühlten sich während der Pandemie einsam
Besonders hervorgehoben wurden dabei die Erfahrungen, die junge Menschen während der Corona-Pandemie gemacht haben. Viele hätten sich in dieser Phase nicht ausreichend berücksichtigt gefühlt. Seit Ende der Pandemie hätten sie mit psychischen Folgen zu kämpfen, sagte Böllert. Ein großes Problem sei Einsamkeit. „Wir hatten noch nie so viele junge Menschen, die sich einsam fühlen.“ Dieses Problem müsse angegangen werden. Die Kinder- und Jugendhilfe könne hier einen Beitrag leisten, aber nicht alle Probleme lösen, betonte Böllert. Wichtig sei es, das Netzwerk für psychosoziale Unterstützung auszubauen. „Jeder junge Mensch, der therapeutische Unterstützung braucht, sollte diese auch bekommen.“
Positiv sei, dass sich Kinder und Jugendliche in ihren Familien geborgen fühlten und dort Sicherheit und Orientierung erfuhren, sagte Böllert. Einen Generationenkonflikt gebe es nicht, so der Wissenschaftler. Dies sei auch ein „großes Kompliment“ für die Elterngeneration.