
Die Betriebsrente soll neben der gesetzlichen Rente die Altersvorsorge der Deutschen sichern. Doch wie lassen sich mehr Unternehmen davon überzeugen, eine Betriebsrente anzubieten? Das Kabinett berät heute über einen Gesetzentwurf.
Der Deal ist noch nicht ganz unter Dach und Fach, aber er wird das Leben seiner Kollegen verändern. Eine Betriebsrente. „Ein kleines Licht am Horizont.“ So nennt es Sven Ebeling. Er hat bei den Verhandlungen mit am Tisch gesessen – viele, viele Monate lang. Jetzt ist er „richtig glücklich“ und auch ein bisschen stolz.
Ebeling kennt die Probleme seiner Kollegen. Er weiß, wie es ist, mit wenig Geld auskommen zu müssen: Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren am Düsseldorfer Flughafen. Er begann am Check-in, wickelte Passagiere ab, Studentenjob. Später arbeitete er in der Gepäckabfertigung. Jobs, die einen Flughafen am Laufen halten und Urlaubsträume wahr werden lassen, aber schlecht bezahlt sind.
Eine betriebliche Altersvorsorge als Investition in die Zukunft
„Man verdient nicht genug, um sich eine große private Altersvorsorge leisten zu können“, sagt Ebeling. „Und auch die Rente sieht alles andere als rosig aus.“ Viele Kollegen könnten aus familiären Gründen nur Teilzeit arbeiten. Dann heißt die Aussicht: ein Leben lang arbeiten und im Ruhestand womöglich die aktuelle Miete nicht mehr bezahlen können.
Ebeling wollte etwas dagegen tun. Auch deshalb hat er lange für eine Betriebsrente gekämpft. Anfang nächsten Jahres soll sie hoffentlich in Kraft treten. Sein Arbeitgeber AHS zahlt dann für jeden Mitarbeiter zusätzlich zum Gehalt in einen Investmentfonds ein. „Manche hätten vielleicht lieber einen Tag mehr Urlaub“, sagt Ebeling. Oder eine Sonderzahlung. Das sei verständlicher, man merke es sofort. „Aber am Ende fanden alle die Betriebsrente gut, weil sie eine Investition in die Zukunft ist, fürs Alter.“
Derzeit 54 Prozent der deutschen Arbeitnehmer mit Betriebsrente
Das Sozialministerium schätzt, dass derzeit rund 54 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland eine Betriebsrente haben. „Niemand soll sich im Alter Sorgen um finanzielle Angelegenheiten machen müssen“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Die Kombination aus gesetzlicher Rente und Betriebsrente ist dafür der beste Weg.“ Um kleinen und mittleren Unternehmen die Einführung einer Betriebsrente zu erleichtern, will das Bundeskabinett heute einen Gesetzentwurf einbringen.
Damit wird es für Unternehmen einfacher, sich an anderen bestehenden Betriebsrentenmodellen zu beteiligen. Der lange und bürokratische Verhandlungsprozess wird dadurch verkürzt und kleinen Unternehmen wird ermöglicht, eine einfache und sichere Betriebsrente anzubieten. Zudem wird der Staat die Betriebsrente geringverdienender Arbeitnehmer stärker unterstützen, wenn der Arbeitgeber eine Betriebsrente anbietet: Die Einkommensgrenze für den zusätzlichen Zuschuss wird auf 2.718 Euro monatlich angehoben und dynamisiert.
Damit soll die betriebliche Altersvorsorge für mehr Unternehmen attraktiv werden – nicht zuletzt profitieren Arbeitgeber auch von steuerlichen Vorteilen, wenn sie eine betriebliche Altersvorsorge anbieten: Für jeden Euro, den sie für ihre geringverdienenden Mitarbeiter einzahlen, bekommen sie 30 Cent zurück.
Vorbild Niederlande: Betriebsrenten sind dort weit verbreitet
Allerdings gibt es auch in der Ampel-Koalition Zweifel: „Zwar verbessern die Maßnahmen die Bedingungen für bestehende Betriebsrenten, es bleibt aber fraglich, ob sich Betriebsrenten dadurch stärker verbreiten“, sagt Anja Schulz, Rentenexpertin der FDP-Bundestagsfraktion. Sie sieht zwar durchaus „erhebliches Potenzial“ für die Betriebsrente in Deutschland – gerade auch im Vergleich zu einigen europäischen Nachbarn mit Betriebsrentenquoten von mehr als 90 Prozent, etwa den Niederlanden. Es brauche aber weitere Maßnahmen „außerhalb kollektiv organisierter Strukturen“.
Damit zielt man unter anderem auf das sogenannte Sozialpartnermodell ab, das 2017 von der damaligen Arbeitsministerin Andrea Nahles umgesetzt wurde. Demnach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Tarifverträgen vereinbaren, dass der Arbeitgeber zwar garantiert, bestimmte Beiträge in eine Betriebsrente einzuzahlen. Eine konkrete Höhe der späteren Rente muss er aber nicht garantieren. Der Arbeitgeber haftet also nicht mehr für die Betriebsrente und kann das finanzielle Risiko deshalb besser kalkulieren. Denn er muss kein Geld beiseitelegen für den Fall, dass niedrige Zinsen und spätere Renten klein ausfallen.
FDP will Zugang zu Sozialpartnerschaftsmodell weiter zusammenfassen
Die FDP hält die Idee einer Beitragszusage statt einer Garantie eines Rentenniveaus für den richtigen Ansatz. Die Liberalen plädieren allerdings schon lange dafür, das Sozialpartnerschaftsmodell auch für nicht gewerkschaftlich organisierte Unternehmen zu öffnen. Dazu zählen mehr als die Hälfte aller kleinen und mittleren Unternehmen, die 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland ausmachen.
Nach dem Gesetzentwurf wird die nächste Bundesregierung im Jahr 2028 prüfen, ob der Betriebsrentensatz gestiegen ist. Wenn das nicht der Fall sei, dann müsse man auch über eine verpflichtende Betriebsrente nachdenken, heißt es in dem Entwurf. Der Düsseldorfer Sven Ebeling hält das für den richtigen Weg und hält die Betriebsrente für das richtige Mittel zur Bekämpfung der Altersarmut: „Gerade wenn man nicht in der Lage ist, privat finanziell vorzusorgen“, sagt er, „dann ist es umso wichtiger, dass auch die Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden.“