
Preetz. Benjamin Langecker blickt aus dem Fenster im fünften Stock des Wasserturms in Preetz Richtung Westen über den Postsee. Der Raum wird nicht genutzt. Doch als passionierter Kletterer hat ihn der neue Leiter des Jugendzentrums in Preetz bald nach seinem Amtsantritt im Juli entdeckt.
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Es ist eine besondere Perspektive, die sich dem 41-Jährigen hier eröffnet. Und das Eröffnen anderer Perspektiven ist sein Geschäft im Jugendzentrum. „Das Erwachsenwerden ist eine größere Herausforderung als in meiner Jugend“, sagt Langecker.
Die Welt ist schnelllebiger geworden, junge Menschen sind einer viel größeren Bandbreite unterschiedlicher Medien ausgesetzt – seien es Computerspiele oder soziale Medienkanäle. „Jugendliche werden mit Reizen bombardiert“, sagt Langecker. „Als Junge musste ich mir keine Gedanken darüber machen, was ich im Internet mit wem teile oder wer wo was über mich schreibt.“ Soziale Medien seien eine große Chance, bergen für heranwachsende Kinder aber auch Risiken.
Jugendarbeit in Preetz: Haltungen nicht vorschreiben, sondern vorleben
Auf diversen Portalen verbreiten rechte Influencer ihre Inhalte, als erklärte Zielgruppe gelten Kinder und Jugendliche. „Das sehen wir auch in unserer Arbeit im Jugendzentrum“, berichtet Langecker. Populisten versprechen einfache Antworten auf komplexe Fragen. Dann heißt es Haltung zu zeigen – nicht vorgeben, sondern leben. „Wir reden mit den Jugendlichen über die Inhalte, argumentieren. Wir gehen ins Detail.“
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Die Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut ist nur die neueste Entwicklung. Immer wieder gebe es Trends unter Jugendlichen. „Vor 15 Jahren waren es Kräutermischungen, die geraucht wurden. Seitdem gibt es Energydrinks, E-Zigaretten und Lachgas“, sagt Langecker. Sogenannte Challenges, Mutproben, seien gefährlich und würden über Videos derer, die sie gemacht haben, in den sozialen Medien verbreitet. „Dann sagen wir: Leute, das könnte möglicherweise gefährlich sein.“
Jugendzentrum am Wasserturm: Bildung nebenbei
Seit der Legalisierung ist Cannabis ein großes Thema in der Jugendarbeit. Kommende Woche besuchen die Preetzer eine Fortbildung zum Thema. Mit der Aufhebung des Verbots können die Jugendlichen die Frage stellen: Warum dürfen wir das nicht, wenn es doch erlaubt ist? Die Jugendbetreuer werden dann noch einmal auf die Details eingehen. Die Jugendlichen sollen lernen, sich ein eigenes Urteil zu bilden, Vor- und Nachteile abzuwägen und die Regeln kennen und verstehen zu lernen. So tragen Langecker und seine Mitarbeiter dazu bei, sie zu eigenverantwortlichen Individuen zu erziehen.
Das passiert ganz nebenbei. Beim Billard oder Backen, beim Wasserskifahren oder bei der Holzarbeit. Hier finden die Gespräche statt, die ins Detail gehen. „Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit“, erklärt der 41-Jährige, der in Preetz aufgewachsen ist und seine Kollegin Angela Bludau noch aus der Zeit kennt, als er selbst als Teenager im Jugendzentrum am Wasserturm war.
Benjamin Langecker: Erst Handwerker, dann Jugendarbeiter
Langecker entschied sich damals für eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. „Eine handwerkliche Ausbildung kann man im Leben immer gebrauchen“, sagt der Mann aus Preetz heute. Doch auch in der Arbeit mit Jugendlichen zahlen sich seine bisherigen Erfahrungen aus, denn sie ermöglichen ihm Einblicke in die Lebensrealität junger Menschen.
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„Ich weiß, was da abgeht“, sagt er und nickt in Richtung des imaginären Handwerks. Heute verlegt er keine Stromleitungen mehr, sondern baut mit den Jugendlichen Tischtennisschläger. Eines seiner nächsten Projekte: „Ich möchte einen Longboard-Club anbieten, bei dem wir die Skateboards selbst bauen.“
Für Langecker ist Handarbeit und Arbeit im Allgemeinen das Medium, über das er junge Menschen erreicht. „Wir holen sie dort ab, wo sie sich interessieren. Und dann kommen die Themen“, erklärt er. Dazu gehört auch, dass die Jugendlichen ihre Ideen für das Zentrum am Wasserturm einbringen können.
So soll etwa der Sportplatz hinter dem Turm saniert werden. Am nördlichen Ende soll ein Beachvolleyballfeld entstehen, Basketballkorb und Fußballtor sollen etwas versetzt werden. „Die Mittel sind im Budget vorgesehen. Das wird noch dieses Jahr passieren“, sagt der Centerleiter.
CN