Aus Donald Trumps Entscheidung, mit dem politisch unerfahrenen Junior-Senator JD Vance aus Ohio als Kandidat für das Präsidentenamt anzutreten, lassen sich zwei Dinge ableiten: Der Republikaner ist sehr sicher, dass er die Wahl im November im Alleingang gewinnen wird. Und sollte das tatsächlich passieren, dann ist mit einer stringenteren rechtspopulistischen Politik zu rechnen als nach Trumps Überraschungssieg 2016.
Die Aufgaben eines Vizepräsidenten sind begrenzt, solange das Herz des Präsidenten schlägt. Dem „Running Mate“ kommt im Wahlkampf traditionell eine weitaus größere Bedeutung zu: Er soll Wähler für sich gewinnen, die vom Präsidentschaftskandidaten selbst nicht begeistert sind. 2008 holte Barack Obama den deutlich älteren, erfahrenen, weißen Außenpolitiker Joe Biden an seine Seite, um Wähler zu beruhigen, denen das Wandelversprechen des schwarzen Junior-Senators aus Illinois misstrauisch gegenüberstand. 2016 legte sich Trump mit dem stets freundlichen, evangelikalen Gouverneur Mike Pence an, der dazu beitrug, in der religiösen Rechten Zweifel am New Yorker Frauenhelden zu zerstreuen. Joe Biden wiederum beschwichtigte die Identitätspolitiker seiner Partei, indem er die schwarze Frau Kamala Harris nominierte.
Wie eine Trump-Kopie
Trumps Wahl ist umso bemerkenswerter, weil JD Vance den großen Auftritt lieben gelernt hat. Der Entertainer Trump vermeidet es normalerweise, solche Leute groß zu machen, da er die Bühne für sich beansprucht. Trotzdem dürfte ihm die Entscheidung für Vance nicht allzu schwer gefallen sein, denn nachdem er sich zum Trump-Anhänger bekehrt hat, nutzt er die Bühne, um dessen Politik und Kampfgeist zu preisen.
Dennoch scheint es, als denke der legendäre Kurzsichtige Trump bereits weit über den Wahltag hinaus: J.D. Vance könnte man zutrauen, das Erbe Trumps weiterzuführen, der am Ende einer möglichen zweiten Amtszeit 82 Jahre alt sein wird. Dem Yale-Absolventen fällt es leichter als dem Begründer des Trumpismus, den (ökonomischen) Nationalpopulismus ideologisch zu rechtfertigen. Dass der Autor der „Hillbilly Elegy“ zwischendurch ein Liebling der Linksliberalen war, macht ihm dies noch leichter.
Schuld sind nur die Eliten
Die Kehrtwende des Mannes, der einst mit Trump-Hitler-Vergleichen in der anderen Hälfte Amerikas punktete, lässt sich so zusammenfassen: Nicht die „vergessenen Männer und Frauen Amerikas“ (Trump) seien schuld am Niedergang des „wahren“ Amerikas, sondern allein die Eliten. Der einzige Kritikpunkt an Trump, an dem Vance dennoch festhielt, war dieser: Als Präsident habe er es nicht geschafft, alle seine Pläne zu verwirklichen.
Trump lässt ihm das durchgehen. Wahrscheinlich hat er aus seiner ersten Amtszeit seine eigenen Lehren gezogen. Weder linksliberale Amerikaner noch Europäer sollten darauf vertrauen, dass die führenden Köpfe einer neuen Trump-Administration sich gegenseitig auf die Füße treten würden wie nach 2017 oder gar im Bündnis mit in- und ausländischen Kräften gegen Trump zusammenarbeiten würden. Vance ist einer von denen, die aus der „America First“-Ideologie auch klar ableiten, dass der Krieg in der Ukraine ein Problem allein der Europäer sei: Amerika dürfe Kiew nicht länger unterstützen, und die Ukraine müsse Land an Putins Russland abtreten. Mit Gegenwehr muss er auf dem Parteitag in Milwaukee nicht rechnen. Die Republikaner stellen sich auf vier Jahre Trumpismus pur ein.