George Clooney, Brad Pitt und der Apple-Film „Wolfs“

George Clooney, Brad Pitt und der Apple-Film „Wolfs“

Bei den Filmfestspielen von Venedig Anfang September waren die Hollywoodstars bestens gelaunt. George Clooney und Brad Pitt alberten auf Kosten des jeweils anderen herum, umarmten sich auf dem roten Teppich und schienen sogar ihre hellblau schimmernden Jacken im spätsommerlichen Lagunenlicht farblich aufeinander abgestimmt zu haben. Zwei alte Kino-Kumpels starteten standesgemäß auf Promotour für ihren neuen Film „Wolfs“. So funktioniert Hollywood schon immer.

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Doch der Auftritt bei einem der wichtigsten Kino-Events im Jahreskalender hatte einen kleinen Schönheitsfehler: Ihre Buddy-Actionkomödie um zwei „Problemlöser“, die sich bei kriminellen Aufräumarbeiten gegenseitig in die Quere kommen und notgedrungen zusammenarbeiten müssen, hatte kurz zuvor ihre Kinoauswertung verloren. Der Streamingdienst Apple TV+ hatte den ursprünglich geplanten Kino-Sause einfach abgesagt.

Seit Freitag läuft der Film zwar in den US-Kinos, es handelt sich aber eher um eine Alibi-Veranstaltung, begrenzt auf eine Woche. International läuft „Wolfs“ gar nicht mehr im Kino, auch nicht in Deutschland. Und ab dem 27. September nimmt der Streamingdienst „Wolfs“ – der Titel ist eine Hommage an Quentin Tarantinos talentierten Mr. Wolf in „Pulp Fiction“ – ins hauseigene Repertoire auf.

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In Venedig reagierte Clooney auf Apples Planänderung mit einem angestrengten Scherz: Seine Macht als Filmstar sei im Niedergang, sagte er. Dann wurde er ernster. Die Branche befinde sich mitten in einer Revolution. Streaming und Kino bräuchten einander, aber eine angemessene Balance sei noch nicht gefunden.

Gleichzeitig erinnerte er daran, dass das Studiosystem Hollywood nicht mehr funktioniert: Als er jung war, hatte er bei Warner einen Vertrag für fünf Filme, egal ob sie floppten (was beim gescheiterten „Batman & Robin“ der Fall war). Heute können junge Schauspielerinnen und Schauspieler allerdings nicht mehr auf ein Sicherheitsnetz bauen. Andererseits haben sie dank der Streaming-Plattformen auch viel mehr Möglichkeiten.

Apple gewann den Wettstreit um die Rechte an „Wolfs“, weil der Konzern den Stars eine Prämie in Tausenden Kinos versprochen hatte. Nun müssen die beiden mit dem kleinen TV-Monitor vorlieb nehmen und auch während des hässlichen Spiels gute Miene zum bösen Spiel machen. Angeblich verzichteten sie auf einen Teil ihrer Gage, um wenigstens den Mini-Start zu ermöglichen.

„Der beste Weg ist das Kino“

„Wolf“-Regisseur Jon Watts zeigte sich überrascht: Er habe erst wenige Tage vor der Ankündigung von Apples Planänderung erfahren. Gegenüber „Vanity Fair“ sagte er: „Ich habe diesen Film immer als Kinofilm betrachtet. Wir haben ihn gemacht, um ihn im Kino zu sehen. Das ist die beste Art, ihn zu sehen.“ Daraus werde nun nichts.

Der Kampf zwischen Kino und Streaming tobt spätestens seit der Corona-Pandemie. Damals präsentierte etwa Warner Bros. seine Filme gleichzeitig in Kinos und auf dem konzerneigenen Streamingdienst HBO Max, darunter Blockbuster wie „Dune“ und „Godzilla vs. Kong“, die im Großformat eine ganz andere Wirkung entfalten. Andere Werke wie „Mulan“ oder „Soul“ landeten sogar direkt im Internet. Und die Oscar-Akademie ließ widerwillig Filme zu, die nie auf der großen Leinwand zu sehen waren.

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Die Unterscheidung zwischen Streaming und Kino scheint mittlerweile mehr oder weniger aufgehoben. Und dass Letzteres immer beliebter wird, daran kann niemand mehr vorbeigehen. Nur die Gralshüter des Festivals von Cannes halten noch an der Idee fest, dass Filme, die fürs Kino bestimmt sind, zuerst ins Fenster der Goldenen Palme kommen.

Der Aufschrei der Kino-Gläubigen hallt jedoch noch nach: Regisseure wie Christopher Nolan („Tenet“) und Tom Cruise („Top Gun: Maverick“) halten fest an der Leinwand fest. Auch James Bond durfte in „Keine Zeit zu sterben“ auf der Kinoleinwand in Würde seinen letzten Atemzug tun.

„Napoleon“ enttäuschte im Kino

Bei einigen potentiellen Blockbustern der jüngeren Zeit setzte Apple zunächst auf das Kino und auf die Zusammenarbeit mit den Studios. Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ kam in Kooperation mit Paramount in die Kinos, Ridley Scotts „Napoleon“ mit Unterstützung von Sony. Eines hatten beide Filme gemeinsam: Sie blieben an den Kinokassen weit hinter den Erwartungen zurück. Warum also teure weltweite Marketingkampagnen starten, wenn am Ende Enttäuschung herauskommt?

Leonardo DiCaprio als Ernest Burkhart und Robert De Niro als William Hale im Film „Killers of the Flower Moon“.

Leonardo DiCaprio als Ernest Burkhart und Robert De Niro als William Hale im Film „Killers of the Flower Moon“.

Ganz anders sah es Anfang August bei der Actionkomödie „The Instigators“ mit Matt Damon und Casey Affleck aus: Dieses Apple TV+-Werk kam zwar nur auf eine bescheidene einwöchige US-Kinoauswertung. Trotzdem bescherte es dem Streamingdienst laut „New York Times“ 50.000 neue Abonnenten und war im Netz ein echter Hingucker.

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Diese Zahlen dürften Apple zu einer Kehrtwende ermutigt haben. Zumal sich abzeichnete, dass „Wolfs“ allenfalls auf gemischte Resonanz hoffen konnte. Glanz und Glamour aus Venedig nahm Apple zwar gern mit, holte den starbesetzten Eventfilm dann aber sicherheitshalber von der internationalen Bühne. So konnte vermieden werden, dass er mit schlechten Kritiken behaftet im Apple-Universum auftauchte. Diese Notbremse war umso ratsamer, als sich bereits eine „Wolfs“-Fortsetzung mit Clooney und Pitt abzeichnete. Auch daran hätten Zweifel geäußert werden können.

Soll dieses Hin und Her nun als (weiterer) Sargnagel für das Kino gewertet werden? Umgekehrt hat auch Hollywood während der Corona-Pandemie gelernt, dass Streaming ohne Kino-Pomp nicht unbedingt glücklich macht. Filme verschwinden unbeachtet im Internet-Nirvana. Dabei kann eine zweiteilige Strategie durchaus funktionieren: „Top Gun: Maverick“ etwa war 2022 erst der erfolgreichste Film im Kino und dann auch noch der meistgestreamte. Das eine war vielleicht die Voraussetzung für das andere.

Einen sicheren Weg, das Beste aus beiden Welten zu vereinen, hat Hollywood bislang nicht gefunden. Apple und all die anderen navigieren mehr oder weniger schlecht durch den Verwertungsdschungel. Apple will dem Formel-1-Film „F1“ – wieder mit Brad Pitt in der Hauptrolle – im nächsten Jahr einen ordentlichen Kinoauftritt verschaffen. Dass „Wolfs“ in den USA zumindest eine Woche lang im Kino läuft, ist kein Zufall: Nur unter dieser Voraussetzung kann das Pitt-Clooney-Gefährt ins Oscar-Rennen starten. Und dieser Preis ist noch immer das Größte, was es in der Filmbranche zu gewinnen gibt.

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