Kiel. Wie es sich für ein Wahrzeichen gehört, ist es aus der Welt nicht wegzudenken. Was wäre die Ringstraße 68 ohne den Club, der hier seit 1967 beheimatet ist? Das wird Kiels Gastronomiewelt leider bald erfahren. Der legendäre Club 68 schließt in dieser Woche seine Pforten.
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Sein vollständiger Name lautet „Galerie Club Nº68“, in Kiel heißt er aber schlicht „Club“. Ob es sich hier um die älteste Kneipe Kiels handelt, darüber könnten Gastrohistoriker streiten. Fest steht: Weil der Comiczeichner Rötger Feldmann alias Brösel dem Club in seinen Werner-Comics ein Denkmal setzte, ist er die bekannteste Kneipe der Stadt.
Werner-Unterzeichner Brösel war schon in den 1970er Jahren Stammgast im Club 68
Und in gewisser Weise war der Club, der über Jahrzehnte zuverlässig bis spät in die Nacht geöffnet hatte, auch die kreative Keimzelle der Werner-Comics. „Ich war in den 1970er-Jahren Stammgast hier“, erinnert sich Brösel. Damals sei im Club immer viel los gewesen. „Mit Bier runterspülen“, blieb man hier bis spät in die Nacht. Zudem bot Clubbetreiber und Galerist Holger Henze der Kieler (Künstler-)Szene nicht nur eine Bar, sondern förderte auch aktiv viele ihrer Köpfe. So war es Henzes Empfehlung zu verdanken, dass er als junger Künstler seine Comics im Satiremagazin „Pardon“ veröffentlichen konnte.
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Dafür wurden der Club und „Holgi“ ab den 1980er-Jahren zum festen Bestandteil der Werner-Comics und tauchten dort regelmäßig auf. Und auch die Idee zum legendären Rennen zwischen dem Zeichner und dem Kneipenbesitzer entstand im Club. Genauer gesagt: im Hinterhof der Kneipe. „Dort in der Garage stand damals Holgis roter Porsche, ich meine eine Horex daneben“, erinnert sich Feldmann. Aus den Plaudereien der beiden Mechaniker in Hof und Kneipe entstand schließlich das Event, das 1988 auf dem Flugplatz in Hartenholm zum ersten Mal ausgetragen wurde.
1988 traten Brösel und Holgi erstmals gegeneinander an. Im Bild: Rötger Feldmann, Wolfgang Ußleber, der Konstrukteur seiner Horex, und Holger Henze (von links).
Quelle: DC-X Kiel
Auch die gastronomische Qualität des Clubs hebt Feldmann hervor: „Holgis Pfeffersteak ist das beste in ganz Schleswig-Holstein!“ Dass dessen Qualität bis zuletzt gehalten wurde, liegt wohl auch daran, dass sich der Wirt seit jeher selbst um die Clubküche kümmert, die seit den Corona-Jahren nicht mehr so lange bis in die Nacht geöffnet war. Auch die Flöten und Henzes Spinat mit „Ur-Gouda“ überbacken zählen zu den Klassikern auf der Speisekarte des Clubs, der kulinarisch schon immer weit mehr zu bieten hatte, als man von einer Kneipe erwarten würde.
Die Jahre vergingen, doch der Club blieb ein Club. „Ich kann hier nicht einfach die Luke zumachen“, antwortete Holgi im März anlässlich seines 80. Geburtstags auf die Frage, wie lange er das Lokal noch führen wolle. Doch nun haben ihn gesundheitliche Gründe dazu bewegt, die Luke zu schließen und seiner 70-Stunden-Woche Adieu zu sagen. Die Frage, ob es mit dem Club auch mit einem Nachfolger geklappt hätte, würde wohl jeder Stammgast mit den gleichen Worten beantworten wie Rötger Feldmann: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“
Und dementsprechend traurig ist der Künstler, dass der Club im Laufe dieser Woche Geschichte sein wird, kommentiert das Ende aber auch mit einer wahrhaft werneresken Weisheit: „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.“ Wann der Club das letzte Mal geöffnet hat, entscheiden übrigens seine Gäste. Zumindest indirekt: „Ich habe für diese Woche ein Bier gekauft“, sagt Holger Henzes Frau Sabine. „Wenn ich das ausgetrunken habe, ist Schluss.“
CN