Emmanuel Macron wird von der französischen Regierung getrieben

Emmanuel Macron wird von der französischen Regierung getrieben

Die Zusammensetzung der neuen französischen Regierung hat dem endgültig ein Ende bereitet, was seit 2017 „Macronismus“ genannt wird, benannt nach der neuen, als revolutionär angepriesenen Linie des Präsidenten. Emmanuel Macrons Angebot bestand damals darin, bisherige ideologische Spaltungen zu überwinden, das starre politische System zu modernisieren und eine Regierung der „nationalen Union“ anzubieten, eine Art große Koalition. Was als Versprechen eines gewagten politischen Abenteuers begann, endete in einer Rückkehr zu traditionellen Strukturen und großer Ernüchterung.

Lesen Sie mehr nach dem Werbung

Lesen Sie mehr nach dem Werbung

Heute ist Macron ein Getriebener, der mit seiner Macht so schlecht umgegangen ist, dass er sie zu großen Teilen verliert. Selbst die Entscheidung, Michel Barnier zu seinem neuen Premier zu ernennen, wurde ihm quasi aufgezwungen, weil der Konservative als einziger konsensfähig genug erschien, um nicht sofort gestürzt zu werden – das jedenfalls versicherte die Fraktionschefin des rechtsextremen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen. Damit nimmt sie eine Schlüsselposition ein. Barniers Regierung ist eine von Le Pens Gunst, erpressbar und ständig am Rande des Zusammenbruchs. Die Verfassung erlaubt es, die Nationalversammlung erst nach einem Jahr wieder aufzulösen, also frühestens im Sommer 2025.

Europa Radar

Was in Brüssel passiert und Europa bewegt: RND-Korrespondent Sven Christian Schulz liefert EU-Einblicke und Hintergründe – immer donnerstags.

Spekulationen über Macrons vorzeitigen Rücktritt

Schon lange wird spekuliert, dass Macron vorzeitig zurücktreten könnte, wenn die Lage zu aussichtslos wird. Als er am Abend der EU-Wahlen Anfang Juni aufgrund des schlechten Abschneidens seiner Partei überraschend die Nationalversammlung auflöste und kurzfristig Neuwahlen ausrief, stellte sich die Frage: Warum? Er tut dies heute mehr denn je. Macron begründete die Entscheidung damals damit, dass er Klarheit und Respekt für die Demokratie wolle. Doch diesen Respekt ließ er später vermissen, indem er keine Lehren aus dem Wahlergebnis zog, als es nicht seinen Erwartungen entsprach.

Lesen Sie mehr nach dem Werbung

Lesen Sie mehr nach dem Werbung

Er schob die Kandidatin des siegreichen Linksbündnisses für das Amt des Premierministers beiseite. Zu groß war seine Angst, dass sie gemeinsam mit dem RN die von ihm so mühsam durchgesetzte Rentenreform – Macrons einziges nennenswertes Projekt seit seiner Wiederwahl 2022 – wieder rückgängig machen könnte. Auch die Wahlen, die übrigens 28 Millionen Euro kosteten, brachten keine Klärung: Heute ist die Lage unübersichtlicher denn je. Die Nationalversammlung ist in drei große, unversöhnliche Blöcke gespalten.

Eine politische Blockade droht genau zu einem Zeitpunkt, an dem die hohe Staatsverschuldung endlich als wirkliches Problem wahrgenommen wird. Sieben Minister aus dem Macron-Lager erhielten erneut einen Platz in der neuen Mitte-Rechts-Regierung. Da dort Vertreter der bisherigen Regierungsparteien und der bürgerlich-rechten Republikaner dominieren, bleiben oder kommen ausgerechnet jene Parteien an die Macht, die bei der Parlamentswahl besonders abgestraft wurden. Das empört zu Recht alle Anhänger des Linksbündnisses ebenso wie jene, die gegen ihre Überzeugungen nur einem Kandidaten ihre Stimme gaben, um die Machtübernahme der Rechtsextremen zu verhindern.

Die Republikaner haben sich nicht an der Brandmauer gegen die Rechte beteiligt. Sie sind es, die jetzt belohnt werden. Macrons hohe Fluktuation bei Regierungschefs und Ministern zeigt, dass er mit seinem Latein am Ende ist. Sein autokratischer, von oben herab gesteuerter Regierungsstil und sein erratisches Verhalten führten zu einem rapiden Vertrauensverlust. Nun ist es Zeit für einen Neuanfang. Barnier muss in seiner Regierungserklärung am 1. Oktober darlegen, wohin die neue Regierung steuert. Ob dies aber umsetzbar ist und wie lange er im Amt bleibt, bleibt abzuwarten. Frankreich ist noch lange nicht aus den Turbulenzen heraus.

Die mobile Version verlassen