Analyse
Krieg in der Ukraine
Kiews Drohnen sprengen nacheinander Putins Munitionsdepots
Drohnen haben Russland in den letzten Tagen die schlimmste Niederlage seit 2022 zugefügt und im russischen Hinterland Unmengen an Raketen und Munition zerstört.
Für die freie Ukraine läuft es im Bodenkrieg nicht gut. Im Donbass drängen Putins Truppen die Verteidiger immer schneller zurück. In der Region, in der Kiew einen Winkel russischen Bodens erobert hat, haben die Russen eine Gegenoffensive gestartet.
Doch die Ukraine konnte in den vergangenen Tagen im strategischen Luftkrieg spektakuläre Erfolge erzielen. Eine ganze Reihe großer Munitionsdepots wurden angegriffen und ein Großteil der dort gelagerten Waffen zerstört.
Drohnenangriff auf großes Depot
Den Auftakt machte der Angriff auf Russlands größtes Depot in der Stadt Toropets (Region Twer). Die Explosionen waren so heftig, dass sie von Erdbebensensoren registriert wurden. Zudem brachen in der Region zahlreiche Brände aus, die vermutlich durch abgeschossene Drohnen verursacht wurden.
Bei dem Angriff wurde eine große Zahl von Drohnen eingesetzt, ihre Zahl wird auf etwa 100 geschätzt. Diese Zahl überwältigte die eingesetzten Luftabwehrsysteme, sodass die überlebenden Drohnen das Lager angreifen konnten.
In Toropets sollen Raketen des Typs Iskander und Tochka-U, Gleitbomben und Artilleriemunition gelagert worden sein. Toropets liegt rund 480 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt und etwa 400 Kilometer westlich von Moskau. Das Lagergelände umfasste eine Fläche von mehr als fünf Quadratkilometern.
Weitere Angriffe folgten. So etwa gegen das Lager bei Oktjabrski, ebenfalls in der Region Twer und nur 16 Kilometer vom Lager in Toropets entfernt. Auch das Depot in Tichorezk wurde getroffen. Bekannt wurde es, weil dort zwischenzeitlich Munition gelagert wurde, die Russland aus Nordkorea erhielt.
Schätzungen zufolge können allein in der Anlage in Toropets rund 30.000 Tonnen Munition gelagert werden. Wie viele Waffen zum Zeitpunkt der Anschläge tatsächlich in den Anlagen gelagert waren, lässt sich natürlich nicht sagen. Doch allein die Stärke der Explosionen spricht Bände.
Auswirkungen auf die Kriegsführung
Die Angriffe auf die Depots – die möglicherweise weitergehen – sind der schwerste Schlag, den Putin seit 2022 erlitten hat. Die Menge an Artilleriemunition und Langstreckenwaffen kann nicht ohne weiteres ersetzt werden. Der Mangel an diesen Vorräten wird direkte Auswirkungen auf den Bodenkrieg in der Ukraine haben.
Die russischen Truppen sind zahlenmäßig überlegen und operieren auch weitaus geschickter als zu Beginn des Krieges, doch die russische Kriegsführung basiert zentral auf überlegener Feuerkraft. Dies zeigt sich im Donbass, aber auch die Kursk-Operation der Ukrainer wurde von den überraschten Russen mit einem geradezu verschwenderischen Einsatz von Langstreckenwaffen wie den Iskander-Raketen eingedämmt.
Sanktionen gegen Russland verpuffen
Die Hoffnung, dass die Sanktionen zu einem Zusammenbruch der russischen Waffenproduktion führen, schwindet. Tatsächlich steigern die Russen die Produktion intelligenter Waffen, die auf Komponenten aus dem Ausland angewiesen sind, massiv. Putin räumte kürzlich ein, dass Russland die Produktion von Drohnen erhöht habe.
Zum Vergleich: Während 2023 noch rund 140.000 unbemannte Luftfahrzeuge verschiedener Typen ausgeliefert wurden, sollen es 2024 bereits 1,4 Millionen sein. Der Angriff auf die Depots zeigt nun spürbare Auswirkungen. Anders als die Angriffe auf die Ölraffinerien, die Moskau vor allem finanziell schädigen, haben die zerstörten Depots direkte Auswirkungen auf den Kriegsverlauf.
Ein Großteil der Munition in Toropets war unterirdisch gelagert. Es stellt sich die Frage, wie die ukrainischen Drohnen die Bunker „knacken“ konnten. Die erfolgreichen Angriffe auf die Depots zeigen auch, wie schmerzhaft Schläge gegen militärische Ziele im russischen Hinterland sein können. Kiew unterstreicht damit seinen Wunsch, Langstreckenwaffen aus dem Westen in Russland einsetzen zu dürfen.