
Öffentliche Klagen der Autoindustrie gehören gewissermaßen zum Geschäft und haben zahlreiche Verschärfungen der Abgasnormen begleitet. Auch die EU-Kommission hat die von ihr umgesetzte CO₂-Reduktion kritisiert, obwohl man davon ausging, dass sie über eine solide Lobby Einfluss auf die Pläne genommen hatte. Dennoch warnen Branchenvertreter davor, zu hohe Ziele für die CO₂-Reduktion zu setzen. Eine Analyse der Organisation Transport & Environment (T&E) soll nun beweisen, dass die Ziele für die Autoindustrie erreichbar sind, wenn sie den Anteil von Elektroautos an den Neuzulassungen erhöht.
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Flottengrenzen
Hintergrund ist die sogenannte Flottengrenze. Diese setzt für Hersteller Grenzwerte für den CO₂-Ausstoß pro Kilometer. Maßgeblich ist der Durchschnitt aller in einem Jahr von einem Hersteller in der EU zugelassenen Fahrzeuge. Die Grenze orientiert sich am Durchschnittsgewicht aller verkauften Fahrzeuge des jeweiligen Anbieters. Diese Grenze zu überschreiten ist teuer: 95 Euro pro Gramm CO₂ darüber werden für jedes in diesem Jahr in der EU verkaufte Auto fällig. Elektroautos gehen mit null Gramm CO₂ in die Bilanz ein, was für die Autohersteller eine sehr wohlwollende Auslegung ist. Denn der Strom, mit dem die Traktionsbatterie geladen wird, hinterlässt immer irgendwo einen CO₂-Fußabdruck.
Hersteller unterschiedlich nah am Ziel
Laut der T&E-Analyse sind die Fortschritte der Hersteller bei der Erreichung der Ziele für 2025 uneinheitlich. Während einige Hersteller wie Volvo Cars ihre Flottenverbrauchsziele für 2025 bereits erreicht haben, prognostiziert T&E, dass Volkswagen das Ziel um 19 Gramm CO₂ pro Kilometer verfehlen wird. Zum Vergleich: Die Studie geht davon aus, dass Mercedes-Benz 14 Gramm CO₂ und BMW nur 0,4 Gramm zu viel CO₂ ausstoßen werden. Die Autoindustrie wird alles daran setzen, die CO₂-Ziele nicht zu überschreiten, da die Strafen die Margen stark schmälern können.
In der Autoindustrie mehren sich die Stimmen nach weniger strengen Grenzwerten. Die Bundesregierung hatte dies Mitte September abgelehnt. Bei den bisherigen Zielwerten hätten die Hersteller ihre Erfüllungslücke erst im Zieljahr geschlossen und nicht früher, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums der Welt am Sonntag. Den allermeisten Herstellern sei dies weitgehend gelungen, auch wenn die Lücken in der Vergangenheit teilweise größer waren als jetzt. „Wir vertrauen darauf, dass die deutsche Autoindustrie auch diesmal ihre Verlässlichkeit und technologische Kompetenz beweist und die Zielwerte erreicht“, hieß es aus dem von Steffi Lemke (Grüne) geleiteten Ministerium. FDP-Fraktionschef Christian Dürr lehnte neue staatliche Förderungen der Elektromobilität ab.
VDA: Rahmenbedingungen anpassen
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert, eine Überprüfung der Erreichbarkeit der für 2026 geplanten EU-Klimaziele für neu zugelassene Pkw vorzuziehen und gegebenenfalls Rahmenbedingungen anzupassen. Ein internes Papier der europäischen Industrie vertritt die Auffassung, dass die Industrie nicht in der Lage sei, eine drohende Verschärfung der Klimaziele einzuhalten. Die Industrie arbeite mit aller Kraft und Kreativität daran, die Ziele zu erreichen, sagte ein VDA-Sprecher. „Aber unsere Innovationen und Investitionen können nur dann die maximale Wirkung entfalten, wenn das Umfeld stimmt, wenn Klimaschutz nicht gegen, sondern mit der Industrie und den Menschen in unserem Land entwickelt wird.“ Auch die entsprechenden Rahmenbedingungen müssten stimmen. Der VDA hatte in der Vergangenheit immer wieder den aus seiner Sicht schleppenden Ausbau der Ladeinfrastruktur beklagt.
Kritik aus der Industrie
Einige Stimmen aus der Autoindustrie selbst fordern mittlerweile eine Verschiebung der CO₂-Reduktionsziele. Grund dafür sei unter anderem, dass die Nachfrage nach Elektromobilität in Europa hinter den Erwartungen zurückbleibe. VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sagte: „Die Elektromobilität wird sich durchsetzen, aber es wird noch mehr Zeit brauchen. Deshalb müssen die CO₂-Ziele für 2025, 2030 und 2035 angepasst und mit der Realität in Einklang gebracht werden.“ Zugleich forderte er von der Politik mehr Verlässlichkeit.
Auch Christian Levin, Chef des Lkw-Herstellers Traton, kritisierte die Vorgaben scharf. Angesichts der schleppenden Nachfrage nach emissionsfreien Lastwagen forderte er mehr Unterstützung durch die Politik. Im Jahr 2030 werde es schwierig, die strengeren CO₂-Grenzwerte einzuhalten, sagte er im Interview mit der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX auf der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation in Hannover. Er wünsche sich von der Politik, dass sie einen klaren Weg zur Kostengleichheit zwischen Elektro- und Dieselantrieb aufzeige.
T&E: „E-Auto-Anteil steigt bis 2025 auf 24 Prozent“
Elektroautos dürften laut der Analyse von T&E im kommenden Jahr einen Marktanteil von 20 bis 24 Prozent erreichen. Damit würden sie im Schnitt 60 Prozent zur CO₂-Reduktion beitragen, die die Autohersteller im kommenden Jahr erreichen müssen, heißt es in der Studie. Grundlage der Berechnungen sind die Verkäufe im ersten Halbjahr 2024 sowie Absatzprognosen. „Dank einer Flut neuer, erschwinglicher Modelle werden Elektroautos nach aktuellen Prognosen fast ein Viertel der verkauften Neuwagen ausmachen“, sagt Sebastian Bock von T&E Deutschland. Während Elektroautos in der Analyse den größten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten dürften, sind einige Hersteller auch auf den Absatz von Hybridfahrzeugen angewiesen.
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(mfz)