Wie Russland uns online manipuliert

Wie Russland uns online manipuliert

In den vergangenen Wochen veröffentlichten mehrere deutsche Medien Recherchen zu russischen Desinformationskampagnen in Deutschland. Eine davon handelt von sogenannten Doppelgänger-Websites. Dabei handelt es sich um Seiten, die normalen deutschen Nachrichtenseiten täuschend ähnlich sehen. Sie verbreiten allerdings Lügen und Desinformationen und sollen aus Russland gesteuert werden.

Aktuelle Recherchen von NDR, WDR und SZ zeigen, dass hinter der „Doppelgänger“-Kampagne zur Verbreitung von Desinformationen eine russische Agentur namens „Social Design Agency“ (SDA) steckt. Interne Dokumente belegen, dass ein enger Vertrauter Putins dafür verantwortlich ist. Das Ziel ist klar: die Stimmung in Deutschland zu beeinflussen und den Deutschen möglichst große Angst vor der Zukunft zu machen.

Kampagnenziele

Deutschland gilt dem Kreml zufolge als bevorzugtes Ziel für die Verbreitung von Desinformationen. Falsche Informationen in Deutschland sollen „die Angst vor der Zukunft steigern“ und rechte Parteien stärken. Ein weiteres Ziel: Die AfD soll laut einem zitierten russischen Dokument eine Zustimmungsrate von 20 Prozent erreichen – und das von einem Meinungsforschungsinstitut, dessen Ergebnisse europaweit veröffentlicht werden und das als vertrauenswürdig gilt.

Eines der Hauptnarrative der russischen Kampagnen ist die Behauptung, die deutsche Unterstützung für die Ukraine sei für die „tiefste wirtschaftliche und soziale Krise der jüngeren Geschichte“ verantwortlich. Ziel ist es, den Eindruck zu erwecken, Deutschland stehe am Rande eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs.

SDA ist in den sozialen Medien besonders aktiv

Den Rechercheergebnissen zufolge verbreitet die russische Agentur SDA rund um die Uhr Narrative auf sozialen Netzwerken, die der russischen Regierung nützen sollen. Thomas Rid ist Politikwissenschaftler an der Johns Hopkins University und forscht seit Jahren zu russischer Desinformation. Dem Recherchenetzwerk WDR, NDR und SZ sagte er: „Die Social Design Agency ist eine russische Marketing-PR-Firma, die direkt für den Kreml arbeitet, aber vor allem Desinformationsdienstleistungen erbringt. Also gewissermaßen ein Unternehmen, das Desinformation betreibt.“

Die an der Recherche beteiligten Medien berufen sich auf die Analyse zahlreicher interner Präsentationen, Tabellen, Listen, Grafiken und Protokolle der SDA, die ihnen von einer anonymen Quelle zugespielt wurden. Die Dokumente belegen eine direkte Verbindung zum Kreml. Die Agentur hat ein wachsames Auge auf die Themen, die die Deutschen bewegen.

Doppelgänger-Seiten-Strategie

Die andere Strategie ist jene der Doppelgänger-Seiten. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs werden russische Narrative über täuschend echt wirkende Online-Portale oder Webseiten verbreitet. Recherchen zeigen nun, dass dafür vor allem die Agentur SDA verantwortlich ist.

Die Webseiten großer deutscher Medien wie Der Spiegel, SZ oder FAZ werden geklont und mit anderen Inhalten gefüllt. Diese Inhalte sind oft prorussisch, kritisieren die Ampel-Regierung oder die westliche Hilfe für die Ukraine. Das sieht täuschend echt aus, doch die Seiten haben oft andere Endungen. Man erkennt sie daran, dass sie zum Beispiel nicht „Spiegel.de“ heißen, sondern ein „.ltd“ am Ende haben.

„Prorussische Narrative“? Bundesamt für Verfassungsschutz ändert Bericht

Auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz veröffentlichte im August einen Bericht zu den Doppelgänger-Seiten. In einer ersten Fassung zählte die Behörde die „Berliner Zeitung“ und den „Freitag“ zu den Medienhäusern, die „Nachrichten verbreiten, die zum russischen Narrativ passen“. Deshalb nutze Russland diese Nachrichten. Auf der Liste stehen auch der NDR, der „Münchner Merkur“, „Focus“ und das Statistische Bundesamt.

Von betroffenen Medien gab es heftige Kritik. Der Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, Tomasz Kurianowicz, warf den bayerischen Behörden eine „Falschklassifizierung“ vor, die „nicht nur unwahr, sondern auch rufschädigend und diffamierend“ sei.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz veröffentlichte daraufhin eine „Klarstellung“: Da es „teilweise inhaltliche Missverständnisse“ gegeben habe, seien „strukturelle Anpassungen“ am Bericht vorgenommen worden. In der aktuellen Fassung sind die genannten Medien unter der Rubrik „Websites, deren Inhalte der Akteur teilweise verbreitet hat“ zu finden. Mit dem „Akteur“ ist Russland gemeint.

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