Die Masche, mit der die Täter Luxusuhren stehlen, ist ungewöhnlich: Sie spüren auf einem Moped im Kurfürstendamm Fahrer teurer Autos auf. An einer roten Ampel halten sie neben dem Fahrzeug an und bringen den Fahrer dazu, das Fenster herunterzulassen. Dann reißen sie ihm die Uhr vom Handgelenk.
In Europa sind internationale Banden aktiv, die solche Raubüberfälle verüben. Kontrolliert werden sie offenbar von der italienischen Mafia – genauer gesagt von der neapolitanischen Camorra, die in Deutschland, wie viele glauben, eigentlich unsichtbar ist.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat nun beim Amtsgericht Tiergarten Anklage gegen zwei Männer im Alter von 46 und 41 Jahren sowie eine 49-jährige Frau erhoben. „Sie sollen eine Reihe von Straftaten geplant haben, bei denen sie Autofahrern hochwertige Uhren entreißen wollten“, sagte Sebastian Büchner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Freitag.
Die drei stammen aus Neapel. In der Stadt traten die beiden Männer laut Ermittlern lediglich als „nüchterne Familienväter“ auf. Im Juni reisten sie nach Berlin. Das war kurz vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft, als sich bereits viele Touristen in der Stadt aufhielten. Die 49-jährige Schwester des 46-jährigen Angeklagten soll über eine Mietplattform eine Unterkunft in Halensee vermittelt haben. Ihr wird deshalb als weiterem mutmaßlichen Bandenmitglied Beihilfe zur Last gelegt.
Täter klappte den Außenspiegel ein, damit der Fahrer öffnen konnte
Den Ermittlungen zufolge näherten sich der 41-Jährige und sein älterer Komplize am Abend des 13. Juni im Bereich der Augsburger Straße einem Autofahrer auf einem Motorroller. Der 46-Jährige wollte den Fahrer dazu bringen, die Seitenscheibe herunterzukurbeln und klappte dessen linken Außenspiegel ein. Doch der Fahrer ignorierte dies, da er offensichtlich Böses ahnte. Geistesgegenwärtig nahm er dessen Rolex-Uhr „Yachtmaster“ im Wert von rund 40.000 Euro an sich. Die beiden fuhren mit ihrem Moped davon.
Am Morgen des nächsten Tages versuchten es die beiden erneut auf der Lietzenburger Straße: Sie klopften an die Seitenscheibe seines Wagens, die der Fahrer daraufhin herunterließ. Anschließend versuchten sie, ihm seine Patek Philippe-Armbanduhr „Nautilus“ im Wert von rund 110.000 Euro zu entreißen. Im Handgemenge riss das Armband. Die Uhr fiel in den Fußraum des Wagens und war für die Täter nicht mehr erreichbar.
Der Fahrer erlitt Verletzungen an Hand und Unterarm. Der Schaden am Auto beläuft sich laut Staatsanwaltschaft auf rund 3.200 Euro, an der Uhr auf rund 7.500 Euro.
Sie dürfen vorerst nicht gemeinsam Gottesdienste besuchen
Noch am selben Tag nahmen Beamte der örtlichen Polizeidirektion und des Landeskriminalamtes die beiden Männer und die Frau fest. Seitdem sitzen die drei in Untersuchungshaft. Nach Informationen aus Justizkreisen werden die beiden Männer in der JVA Moabit streng voneinander getrennt – auch Gottesdienste dürfen sie nicht gemeinsam besuchen. Denn offenbar handelt es sich bei ihnen nicht um „kleine“ Räuber, denen lediglich versuchter Raub in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen wird. Sie sollen bandenmäßig und international organisiert sein und der organisierten Kriminalität angehören.
Die Berliner Polizei war bereits im Mai 2021 auf die Taten solcher Täter aufmerksam geworden. Die Ermittlungen weiteten sich aus und in der Folge wurde auch die europäische Polizeibehörde Europol eingeschaltet, sowie die Polizeibehörden Frankreichs, Spaniens, Italiens, der Schweiz, Österreichs und Griechenlands. Die Kriminalpolizei in Neapel hatte ihre internationalen Kollegen darüber informiert, dass derartige Taten in ganz Europa von der neapolitanischen Camorra gelenkt würden. Das heißt allerdings nicht, dass die Täter selbst Mitglieder der Camorra sein müssen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden in Deutschland und den anderen betroffenen Ländern in den vergangenen Jahren mehrere weitere mutmaßliche Bandenmitglieder festgenommen.