Volksabstimmung in der Schweiz zur „Zukunft unserer Natur“

Volksabstimmung in der Schweiz zur „Zukunft unserer Natur“

Stand: 22.09.2024 05:13 Uhr

Schweizer Umweltschützer wollen Biodiversitätsauflagen in der Verfassung verankern. Beim Referendum geht es um mehr Geld und Land für den Naturschutz. Bauernvertreter warnen, die Initiative sei zu radikal.

Glückliche Kühe auf blühenden Alpwiesen, summende Bienen, idyllische Bergdörfer – die Schweiz ist stolz auf ihre bildschönen Natur- und Kulturlandschaften. Doch für den Schutz dieser einzigartigen Natur und Landschaft unternimmt das Land zu wenig, meinen Natur- und Umweltschutzorganisationen.

Deshalb lancierten sie die Biodiversitätsinitiative, über die die Schweizer heute abstimmen. Motto: «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft.»

Ein Drittel der Arten in der Schweiz ist gefährdet

«Um die Biodiversität in der Schweiz steht es sehr schlecht», sagt Urs Leugger-Eggimann, Geschäftsführer der Organisation «Pro Natura». Rund ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten und die Hälfte aller Lebensräume seien bedroht. Für den Biologen ist deshalb klar: «Wir müssen handeln für die Biodiversität!»

Ziel des Referendums ist es, den Lebensgrundlagenschutz in der Schweizer Verfassung zu verankern. Konkret fordert die Initiative mehr Geld und Platz für den Schutz von Pflanzen und Tieren. Zudem soll bei der Baubewilligung künftig mehr Rücksicht auf Landschaft und Ortsbild genommen werden.

Bauern fürchten Einschränkungen

Starken Widerstand gegen die Biodiversitäts-Initiative gibt es beim Schweizer Bauernverband. «Wir sind nicht gegen die Biodiversität, sie liegt uns sehr am Herzen», sagt Verbandspräsident Markus Ritter. «Aber wir sind gegen diese Initiative.» Ritter ist selbst Biobauer. Doch während der Schweizer Biobauernverband «Bio Suisse» die Initiative unterstützt und für Ja-Stimmen beim Referendum wirbt, ist Bauernpräsident Ritter vehement gegen neue Auflagen für den Naturschutz.

Die gesetzlichen Regelungen seien bereits sehr weitreichend, sagt Ritter. Die Landwirte befürchten Einschränkungen, sollte die Volksinitiative angenommen werden. «Es ist nicht akzeptabel, dass landwirtschaftliche Flächen für einen besseren Artenschutz umgestaltet werden sollen», kritisiert er.

Der Schweizer Bauernverband spricht sich gegen neue Auflagen für den Naturschutz aus.

Sorge um Swiss Lebensmittelproduktion

Und so lautet der Appell des Bauernverbands an die Schweizer: «Nein zur Extrembiodiversitätsinitiative.» Auf den Abstimmungsplakaten ist ein Foto zu sehen, das dunkle Wolken über Schweizer Ackerland zeigt, im Vordergrund ziert ein verblichenes Schweizerkreuz eine grosse Kartoffel, und eine alarmierende Schlagzeile: «Adieu Schweizer Nahrungsmittelproduktion!»

Naturschützer Leugger-Eggimann widerspricht den Befürchtungen der Bauern, die Biodiversitätsinitiative bedrohe die landwirtschaftliche Produktion. «Schutz und Nutzung gehen Hand in Hand», argumentiert er. Denn die Biodiversität sei auch als Lebensgrundlage für produktive Böden wichtig. Eine vielfältige und intakte Natur garantiere langfristig die Produktion gesunder Nahrungsmittel in der Schweiz und diene zudem dem Klimaschutz.

„Verwelken an der Urne“?

Die Schweizer Regierung unter Umweltminister Albert Rösti von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) lehnt die Biodiversitätsinitiative ab – unter anderem mit der Begründung, ihre Umsetzung würde den Staat bis zu 440 Millionen Franken (464 Millionen Euro) kosten. Befürworter der Initiative argumentieren jedoch, bei Nichthandeln würden ab 2050 Kosten von bis zu 16 Milliarden Franken (16,9 Milliarden Euro) entstehen.

Auch die Berner Regierung sieht grundsätzlichen Handlungsbedarf zum Schutz der Biodiversität und hatte deshalb in Antwort auf die Volksinitiative einen Gegenvorschlag zu den Forderungen der Umweltorganisationen erarbeitet.

Doch das Schweizer Parlament lehnte den Kompromiss mehrheitlich ab, und so wird das Schweizer Volk heute direktdemokratisch entscheiden: Ja oder Nein zur Volksinitiative „Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft“.

Der Ausgang ist ungewiss. Laut einer Meinungsumfrage des Schweizer Rundfunks SRG tendierten 51 Prozent der Stimmberechtigten zu «Nein». Die Biodiversitäts-Initiative, so der Sender SRF, drohe, «an der Urne zu verkümmern».

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