Ukraine-Streit

Ukraine-Streit

Zum Thema Ukraine gehen die Meinungen auseinander – auch unter unseren Lesern. Ist die JF zu kritisch gegenüber der NATO oder zu kritisch gegenüber Russland? Beispielsweise wirft uns ein Briefschreiber vor, dass wir uns nicht ausreichend auf die Frage der „Neutralität der Ukraine“ konzentrieren, die der Westen nicht ansprechen möchte. Neutralität ist grundsätzlich eine äußerst sympathische Idee. Doch wer soll diesen Status garantieren?

Hätte die Ukraine in den 1990er Jahren ihre Atomraketen nicht an Russland übergeben, wäre sie problemlos in der Lage, ihre Neutralität aufrechtzuerhalten. Ohne eine tragfähige Sicherheitsarchitektur, die ohne Garantien einer Atommacht (USA, Großbritannien oder Frankreich) wertlos wäre und die der Ukraine zur Seite steht, wird jede Waffenstillstandslösung scheitern. Es sei denn, die Ukraine akzeptiert, ein Glacis, also eine willfährige Pufferzone, für Russland zu werden.

Wir sollten anerkennen, dass keines der ostmitteleuropäischen Länder die Absicht hat, sich nach 1990 jemals wieder von Russland erpressen oder unterwerfen zu lassen. Der Grund, warum alle ostmitteleuropäischen Länder auf eine Mitgliedschaft in der NATO drängen oder – wie jüngst Schweden und Finnland – Denn es gibt keine „alternative Sicherheitsarchitektur“, die anstelle der NATO ernsthafte Garantien für die betroffenen Länder bieten könnte.

Absprachen mit Russland im Ukraine-Krieg sind eine Farce

Deutschland scheitert in all diesen Überlegungen, weil wir uns zu einer militärisch und politisch vernachlässigbaren Größe degradiert haben. Der derzeit wieder erstarkende Nationalpazifismus ist nur eine weitere Facette spezifisch deutscher Realitäts- und Politikverleugnung. Und wenn es von rechts kommt, ist es besonders peinlich.

Wer den amerikanischen Einfluss auf Europa zurückdrängen will, muss zunächst militärisch und politisch mehr Gewicht auf die Waage bringen. Bei einer Bundeswehr, die kaum für die eigene Vereidigung eingesetzt werden kann und einer breiten, demonstrierten militärischen Bereitschaft fehlt, ist dies illusorisch.

Als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt liegt es im rein nationalen Interesse, dem stärksten Verteidigungsbündnis anzugehören, das insbesondere unsere Handelswege robust sichern kann. Stichwort: Rotes Meer, Angriffe der Huthi-Rebellen. Ohne einen NATO-Partner sind wir dazu nicht annähernd in der Lage.

Es ist übrigens zweitrangig, wer die Nordstream-Pipelines in die Luft gesprengt hat. Entscheidend ist, dass uns gezeigt wurde, dass wir nicht in der Lage sind, unsere Infrastruktur zu verteidigen. Bilaterale Vereinbarungen mit Russland, einschließlich des Krieges in der Ukraine und seiner Beendigung, die auch die nationalen Interessen der anderen Europäer außer Acht lassen, sind eine reine Farce.

Aus JF-Ausgabe 44/24.

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