Präsidentschaftswahl in Sri Lanka: Zwischen Stabilität und Neuanfang

Präsidentschaftswahl in Sri Lanka: Zwischen Stabilität und Neuanfang

Stand: 21.09.2024 05:02 Uhr

Sri Lanka steht an einem Wendepunkt: Bringt die Präsidentschaftswahl einen echten politischen Wandel? Die wirtschaftliche Lage hat sich unter dem Interimspräsidenten leicht verbessert, doch nicht alle sind überzeugt.

Hunderte Menschen versammelten sich am späten Mittwochabend auf dem Platz in einem Wohngebiet in Colombo und schauten auf die Bühne. Einige hielten Plakate mit ihrem Kandidaten hoch: Ranil Wickremesinghe. Der 75-Jährige war viele Jahre Mitglied der liberal-konservativen United National Party. Nach den Protesten vor zwei Jahren führte er Sri Lanka bis jetzt als Interimspräsident. Nun tritt Wickremesinghe als unabhängiger Kandidat an.

Die Wahlkundgebungen durften bis Mittwoch Mitternacht andauern. Auch Isuru Hewage war es wichtig, an diesem Abend noch einmal seine Unterstützung zu zeigen. Der 31-Jährige hat studiert, findet aber keinen Job und hält sich mit Privatunterricht über Wasser.

Er hofft auf einen Wahlsieg Wickremesinghes: „Wir müssen einen Führer finden, der die aktuellen wirtschaftlichen Probleme des Landes lösen kann.“

Proteste vor zwei Jahren

Vor zwei Jahren ging er selbst mit Tausenden Menschen auf die Straße. Sri Lanka hatte jahrelange Misswirtschaft hinter sich, war hoch verschuldet und stand am Rande des wirtschaftlichen Kollapses. Die Inflation schoss auf 70 Prozent hoch.

Viele mussten ihre Ersparnisse aufbrauchen und ihren Schmuck verkaufen, um über die Runden zu kommen. Lebensmittel wurden plötzlich extrem teuer, die Menschen mussten tagelang für Benzin und Gas zum Kochen anstehen. Medikamente wurden knapp. Es gab ständig Stromausfälle.

Am Ende stürmten die Demonstranten die Residenz des damaligen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa und sprangen in den Pool – die Bilder gingen um die Welt. Der Präsident floh ins Exil.

Internationales Rettungspaket

Die wirtschaftliche Lage hat sich inzwischen etwas gebessert – möglich gemacht durch ein Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Umfang von fast drei Milliarden US-Dollar. Die Preise sind zwar gesunken, aber immer noch hoch. Wickremesinghe habe die richtigen Maßnahmen ergriffen, sagt Isuru Hewage: „Die Lage ist in den letzten zwei Jahren stabil geblieben. Das wurde durch das richtige Management erreicht, und mein Leben hat sich dadurch verbessert.“

Stimmung gegen die Elite

Doch bei der Gegenkundgebung von Sajith Premadasa, dem Kandidaten der größten Oppositionspartei SJB, ist ein anderer Ton zu hören. Marketingunternehmer Roshan de Saram hörte beiden Reden aufmerksam zu. Für ihn ist Wickremesinghe Teil des alten Systems und der korrupten Elite des Landes. Der Sozialdemokrat Premadasa dagegen setzt sich für die Mittelschicht ein und will die Steuern senken.

„Ich würde auf jeden Fall für jemanden stimmen, der meine Geschäftsziele vorantreibt und mir hilft, erfolgreich zu sein“, sagt de Saram und fügt hinzu: „Wenn ich in Sri Lanka auf eine unvorhersehbare wirtschaftliche Situation stoße und nicht wachsen kann, werde ich nach einem Auslandsmarkt suchen.“

Der 51-Jährige hat sich bewusst entschieden, in Sri Lanka zu bleiben. Doch seine Kinder haben internationale Abschlüsse und sehen in ihrer Heimat keine beruflichen Perspektiven. Sie wollen ins Ausland. Viele junge Menschen arbeiten in den Emiraten oder in Europa. Dagegen muss die Politik etwas unternehmen.

Knappes Wahlergebnis erwartet

Umfragen zufolge sind viele Wähler noch unentschlossen. Manche erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Premadasa und dem Kandidaten der marxistischen NPP-Partei, Anura Dissanayake. Einem anderen Kandidaten werden allerdings keine Chancen eingeräumt: Namal Rajapaksa, Neffe des zurückgetretenen Präsidenten Gotabaya.

Für die meisten Wähler sei die wirtschaftliche Lage der ausschlaggebende Faktor bei ihrer Entscheidung, sagt Bhavani Fonseka vom Centre for Policy Alternatives, einem unabhängigen Thinktank. „Das Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds umfasst verschiedene Bereiche. Und viele Menschen haben die Auswirkungen davon zu spüren bekommen – etwa durch höhere Steuern.“

Viele Menschen hätten zum Beispiel gesehen, dass Wickremesinghe strikte Sparmaßnahmen eingeführt habe. „Und das stieß auf großen Widerstand. Die Opposition hingegen verspricht Besserung.“

Wirtschaftlich Reformen notwendig

Die größte Herausforderung für die nächste Regierung Sri Lankas werde die Wirtschaftsreform des verschuldeten Landes sein, glaubt Fonseka. Er glaubt auch, dass die Korruption bekämpft werden müsse und 15 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs eine echte Versöhnung erreicht werden müsse.

Auch für den Menschenrechtler Jehan Perera geht es bei der Wahl vor allem um den Wiederaufbau der Wirtschaft. „Das sind entscheidende Wahlen mit hohen Erwartungen, Vorfreude, aber auch Spannungen, denn Sri Lanka hat eine große Wahl zwischen Kontinuität und Wandel – und das könnte radikal sein.“ Die Menschen hätten ihr Vertrauen in die politische Elite verloren. Und das müsse nun wiederhergestellt werden.

In Sri Lanka sind rund 17 Millionen Menschen wahlberechtigt. Das Wahlergebnis wird im Laufe des Sonntags erwartet.

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