Der immer heftigere Beschuss zwischen Israel und der Hisbollah hat im Libanon Hunderte Tote gefordert. Israels Ministerpräsident Netanjahu ruft seine Bürger auf, für den Krieg zu kämpfen: Es stehen komplizierte Tage bevor.
Selten berichten israelische Medien über die Erlebnisse von Autofahrern im Libanon – heute lief im israelischen Fernsehen allerdings ein Video, das aus dem Südlibanon stammen soll. Gefilmt aus dem Inneren eines Autos, hört man zunächst ein Musikprogramm, dann einen israelischen Militärsprecher auf Arabisch, der die Menschen auffordert, die von der Hisbollah genutzten Gebäude und Viertel zu verlassen.
Was dies aus Sicht Israels bedeutet, erklärte Armeesprecher Daniel Hagari am Nachmittag: „Die Hisbollah hat Waffen in Häusern platziert und diese scharf gemacht. Damit hat die Hisbollah den Südlibanon in ein Kampfgebiet verwandelt.“
Die Folgen: schwere israelische Luftangriffe und Artilleriefeuer den ganzen Tag über. Viele Menschen verließen die Ziele der israelischen Angriffe offenbar nicht – oder wussten nichts von den bevorstehenden Bombardierungen. Libanesische Quellen sprechen mittlerweile von fast 500 Toten und mehr als 1.600 Verletzten.
„Wir warten nicht auf die Bedrohung“
In Israel warnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Bürger vor dem Krieg im Norden: „Wir warten nicht auf die Bedrohung, wir kommen ihr zuvor – überall, an jeder Front, zu jeder Zeit. Wir eliminieren Beamte und Terroristen, wir zerstören Raketen – und wir sind noch nicht fertig“, sagte Netanjahu. „Jedem, der versucht, uns zu schaden, werden wir noch mehr Schaden zufügen.“
Es stünden schwierige Tage bevor, sagte Netanjahu. „Und ich möchte Sie, die Bürger Israels, bitten, zwei Dinge zu tun: erstens, den lebensrettenden Anweisungen des Heimatfrontkommandos zu folgen und zweitens, gemeinsam durchzuhalten, mit Entschlossenheit, Verantwortung und natürlich Geduld. Gemeinsam kämpfen wir und gemeinsam werden wir, mit Gottes Hilfe, siegen.“
Auch in Gaza ist der Krieg nicht vorbei
Damit hat Israel sein Versprechen eingelöst und den Krieg vom Gazastreifen in den Norden verlagert – obwohl der Krieg im Gazastreifen noch nicht vorbei ist.
Grund dafür sind die tausenden Angriffe der Hisbollah auf Israel, die kurz nach dem Angriff aus dem Gazastreifen am 7. Oktober begannen – mit Raketen und Drohnen, die auf den Norden Israels abgefeuert wurden. Nach Angaben des israelischen Instituts für nationale Sicherheitsstudien hat Israel seither zudem mehr als 8000 Angriffe verübt – in den vergangenen Tagen Hunderte pro Tag. Auf beiden Seiten der Grenze wurden Zehntausende Menschen evakuiert.
Raketenalarm in weiten Teilen Nordisraels
Die Sicherheitsexpertin Dana Weiss versucht im Fernsehsender Channel 12 den Plan dahinter zu beschreiben: „Israel verfolgt einen schrittweisen und kontinuierlichen Ansatz. Es wird Zeit brauchen, und die Hoffnung ist, dass Nasrallah mit jedem Schritt mehr nachgibt. Israel hofft, die Verbindung zwischen der Hisbollah und Gaza zu kappen. Aber es wird erwartet, dass dies lange dauern wird, Wochen, wenn nicht länger“, sagt Weiss. „Letztendlich ist es Israels Ziel, so viele Bürger wie möglich in ihre Häuser zurückzubringen. Während Nasrallah, der Führer der Hisbollah, genau das Gegenteil will: Israel in einen Zermürbungskrieg hineinziehen.“
Die Zeichen stehen auf Eskalation: In weiten Teilen Nordisraels herrschte heute Raketenalarm – die Raketen der Hisbollah zielen immer weiter Richtung Süden, bis in den Süden der Hafenstadt Haifa. Und auch Siedlungen im besetzten Westjordanland gerieten offenbar ins Visier. Die Städte liegen etwa auf dem gleichen Breitengrad wie der Großraum Tel Aviv. Aufgrund der Reichweite der Raketen aus dem Libanon könnte sich die Lage in den kommenden Tagen noch verschärfen.