Zum ersten Mal seit der Pleite des Landes und den Massenprotesten vor zwei Jahren ist in Sri Lanka ein neuer Präsident gewählt worden. Der Sieger, der linke Oppositionspolitiker Dissanayake, verspricht Wirtschaftsreformen.
Sri Lankas Wahlkommission hat Anura Dissanayake zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Der 55-jährige Abgeordnete und Führer der linken Koalition „National People’s Power“ (NPP) gewann nach Angaben der Kommission mit einem Vorsprung von mehr als einer Million Stimmen vor dem Oppositionsführer im Parlament, Sajith Premadasa. Der seit zwei Jahren amtierende Interimspräsident Ranil Wickremesinghe landete mit deutlichem Abstand auf dem dritten Platz.
Nach Angaben der Wahlkommission wird Dissanayake am Montag seinen Amtseid ablegen. „Dieser Sieg gehört uns allen“, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X. „Gemeinsam werden wir Sri Lankas Geschichte schreiben.“ Interimspräsident Wickremesinghe räumte seine Niederlage ein und gratulierte seinem Nachfolger.
Wirtschaftsreformen geplant
De facto war die Wahl eine Abstimmung über die strikten Sparmaßnahmen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) dem südasiatischen Inselstaat als Gegenleistung für Hilfen auferlegt hatte. Dissanayake werde den Deal mit dem IWF nicht aufkündigen, sondern neu verhandeln, sagte ein Sprecher seines Ministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Dissanayake will die Einkommenssteuer sowie die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel und Medikamente senken. Seine marxistische Partei führte in den 1970er und 1980er Jahren zwei gescheiterte Aufstände an, bei denen mehr als 80.000 Menschen starben. Bei der jüngsten Parlamentswahl 2020 erhielt sie weniger als vier Prozent der Stimmen.
Beobachter werteten Dissanayakes Wahlsieg als Zeichen dafür, dass die Bevölkerung die Nase voll von der alten politischen Garde habe. Der Vorgängerregierung wird vorgeworfen, Sri Lanka an den Rand des wirtschaftlichen Ruins getrieben zu haben. Dissanayakes Eintreten für die Arbeiterklasse und seine Wahlkampftiraden gegen die politische Elite machten ihn dagegen vor allem bei jungen Leuten beliebt.
Erste Wahl seit Wirtschaftskrise
Die Präsidentschaftswahl war die erste in Sri Lanka seit den Massenprotesten auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zwei Jahren. Der damalige Staatschef Gotabaya Rajapaksa floh aus dem Land, nachdem Tausende Menschen sein Büro gestürmt hatten.
Unter seinem Nachfolger Wickremesinghe stabilisierte sich die Lage im Land. Steuererhöhungen und andere Maßnahmen des IWF-Rettungspakets belasten die Bevölkerung jedoch weiterhin. Aus Angst vor Unruhen wurden Tausende Polizisten zum Schutz der Wahllokale eingesetzt, nach Schließung der Wahllokale wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Nach Angaben der Behörden kam es vor und nach der Wahl zu keinen Gewalttaten. Siegesfeiern sind als Vorsichtsmaßnahme allerdings erst eine Woche nach Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses erlaubt.