Ein Sieg für die Trainingsarbeit: Hertha wird unabhängiger von der Tagesform

Ein Sieg für die Trainingsarbeit: Hertha wird unabhängiger von der Tagesform

2:0-Sieg in Nürnberg

Ein Sieg für die Trainingsarbeit: Hertha wird unabhängiger von der Tagesform



Sa 21.09.24 | 17:42 | Ab Marc Schwitzky

Ein Sieg für die Trainingsarbeit: Hertha wird unabhängiger von der Tagesform

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Audio: Oliver Tubenauer | Bild: picture alliance / Sportfoto Zink / Daniel Marr | Sportfoto Zink / Daniel Marr

Hertha BSC hat die Niederlage gegen Düsseldorf mit einem Sieg in Nürnberg wiedergutgemacht. Auch wenn die Form am Samstag nicht stimmte, wird Hertha unter Trainer Cristian Fiél zunehmend unabhängiger vom Zufall. Von Marc Schwitzky

„Das Beste an dir war der Preis, den du bei deinem Weggang verdient hast“, lautete die Schlagzeile auf einem Banner im Nürnberger Fanbereich. Adressiert war es an Hertha-Trainer Cristian Fiél. Der 44-Jährige arbeitete bis zum Sommer drei Jahre lang für die Franken – sein Abgang nach Berlin trotz laufendem Vertrag kam damals in Nürnberg nicht gut an. Am Samstag kehrte er mit Hertha BSC erstmals an seine alte Wirkungsstätte zurück.

Trotz finanzieller Probleme zahlten die Berliner im vergangenen Sommer eine Ablöse, um einen bestimmten Spielstil umsetzen zu können. „Wir suchten einen Trainer, der mutigen, dominanten, offensiven Fußball spielen lässt, der Erfahrungen in der 2. Liga mitbringt, der einen Bezug zum Training im Nachwuchsleistungszentrum hat, der für die Entwicklung junger Spieler steht und der natürlich in den Kader passt, wie wir ihn haben bzw. uns vorstellen“, erklärte Sportvorstand Benjamin Weber unter der Woche gegenüber transfermarkt.de zum Wunschprofil.

Herthas Spiel wird immer verlässlicher

Besonders spielerisch zeigten sich die Hertha-Verantwortlichen optimistisch, was den Trainerwechsel angeht. Sein Vorgänger Pal Dardai hatte es nur selten geschafft, das fußballerische Potenzial des Hertha-Kaders voll auszuschöpfen. In der vergangenen Saison war Hertha gegen individuell deutlich schwächere Gegner zu oft unterlegen und zu sehr von einzelnen Glanzmomenten eines Fabian Reese oder Haris Tabakovic abhängig. Weber und Co. wollten einen neuen, ganzheitlichen Ansatz, der Hertha einen klareren taktischen Rahmen geben und sie weniger wankelmütig machen sollte.

Trotz einiger enttäuschender Ergebnisse in den ersten Spielen der neuen Saison waren die ersten Erfolge unter Fiél nicht zu leugnen. Die „Alte Dame“ wandelt sich zunehmend von einer Umschaltmannschaft à la Dardai zu einer Ballbesitzmannschaft à la Fiél. Was anfangs schwerfällig wirkte, wird mit jedem Spiel selbstverständlicher. Auch gegen Nürnberg war von Beginn an klar, wie das neue Trainerteam die Blau-Weißen spielen lassen wollte. Klare Muster und Abläufe zeigen eine neue Verlässlichkeit darin, wie Hertha ein Spiel gestaltet. Etwas, das in der Vorsaison oft fehlte und keine Konstanz zuließ.

Die Grundtugenden waren

Feste Automatismen sollen Teams helfen, unabhängiger von der Tagesform zu agieren. Gegen Nürnberg erwischte Hertha keinen besonders guten Tag. Das war immer wieder zu spüren. Es gingen Bälle verloren, die Entscheidungsfindung stimmte immer wieder nicht und den Torschüssen fehlte die Präzision. Und trotzdem waren die Berliner am Samstag das bessere Team.

Gerade weil sie unabhängig von ihrer Tagesform ihr Spiel durchzogen. Die Grundtugenden stimmten. Herthas einstudiertes Verhalten gegen den Ball erschwerte es Nürnberg, strukturiert nach vorne zu spielen. Das Pressing der Berliner nahm die wichtigsten Aufbauspieler der Franken aus dem Spiel, und im Gegenpressing eroberten die Hauptstädter regelmäßig sehr hoch den Ball und verhinderten so Nürnbergs Umschaltspiel, das eigentlich genau das war, was sie wollten. Nur selten gelang es den Hausherren, das Hertha-Mittelfeld wie geplant vertikal zu überbrücken. Herthas Spieler waren sehr damit beschäftigt, nach hinten zu gehen und sich nach Ballverlusten schnell wieder zu ordnen. „Nürnberg will immer in die Tiefe gehen. Wir hatten besprochen, dass wir da am vorsichtigsten sein müssen“, sagte Fiél nach dem Spiel. „Wir haben die Läufe des Gegners heute gut mitgemacht.“

Am Ende der Partie waren die Gäste drei Kilometer mehr gelaufen als Nürnberg – diese Aktivität hatte direkte Auswirkungen auf das Spiel, denn Hertha ließ nur wenig zu. Nürnberg hatte nur sieben Torschüsse und einen Expected Goals-Wert von gerade einmal 0,76. Das lag auch daran, dass Hertha – auch dank Kapitän und Startelf-Rückkehrer Toni Leistner – die Standards des Gegners deutlich besser verteidigte als in den letzten Spielen.

Kein guter Tag mit dem Ball, aber die notwendigen Verfahren

Gegen Nürnberg stimmten die sogenannten „Basics“. Das zeigte sich auch im Spiel mit dem Ball. Auch hier sind Fiéls Trainingsinhalte klar erkennbar. Der Spielaufbau besteht aus eingespielten Abläufen und auch beim Umschalten ins letzte Drittel wissen Herthas Spieler genau, welche Räume sie besetzen sollen. So gelingt es der „Alten Dame“ immer wieder, kontrolliert in die gegnerische Hälfte zu gelangen.

Dennoch hatte Hertha im Angriff Probleme. Den Kreativspielern um Michael Cuisance, Ibrahim Maza, Marten Winkler und Derry Scherhant gelang am Samstag nicht viel. Immer wieder fehlte die Präzision in ihren Aktionen, immer wieder verhinderten Fehler und Fehlentscheidungen, dass aussichtsreiche Angriffe – die durch klare Muster im Spielaufbau oder Gegenpressing entstanden – effektiv genutzt werden konnten. Gegen eine schwache, oft unorganisierte Nürnberger Mannschaft hätte Hertha häufiger treffen müssen, scheiterte aber zumeist am eigenen Einsatz.

Hertha gelangen dennoch zwei Tore. Das 1:0 in der 36. Minute folgte einem Angriffsmuster, wie man es zuvor schon oft gesehen hatte. Ibrahim Maza, eigentlich zentraler Mittelfeldspieler, ließ sich auf den linken Flügel fallen und machte auf sich aufmerksam. Dadurch konnte sich Linksaußen Derry Scherhant in den Halbraum zwischen Außen- und Innenverteidigung des Gegners schleichen, dort einen Pass erhalten und das Tor erzielen. Auf ganz ähnliche Art hatte Scherhant bereits gegen Kaiserslautern sein erstes Saisontor erzielt – hier profitierten er und seine Mitspieler von einstudierten Abläufen.

Hertha machte es unnötig spannend

Trotz Führung musste Hertha lange Zeit um die drei Auswärtspunkte bangen und war selbst daran schuld, denn wie schon in der ersten Halbzeit vergab das Team zu viele aussichtsreiche Offensivmöglichkeiten. Das Spiel entwickelte sich in typischer Weise, wobei Nürnberg als Heimmannschaft mit Rückstand die Oberhand gewann und attackierte. Allerdings blieb der Club erschreckend harmlos – gerade weil es so schien, als verfügten sie über keine echten Offensivmuster, mit denen sie Gegner strukturiert ausschalten konnten. Nürnbergs Spiel wirkte eher zufällig und zu abhängig von einzelnen Geistesblitzen, als dass Hertha jemals wieder wirklich in Bedrängnis hätte kommen können.

Zwar war Nürnberg in der zweiten Halbzeit optisch das überlegene Team, doch die besseren Angriffe hatten die Berliner. Zwar gab es zuvor reichlich Gelegenheiten, doch erst in der Nachspielzeit entschied Palko Dardai die Partie mit einem endlich sauberen Konter zum 2:0. Hertha hatte es unnötig spannend gemacht, dennoch war es ein verdienter Sieg. Nicht weil Hertha an diesem Tag in besserer Form war, sondern aufgrund ihres grundsätzlich reiferen Spiels, das individuelle Tiefs und Verletzungen zahlreicher Spieler kompensierte. Ein solcher Vorsprung hätte am Ende der Saison deutlich mehr als nur 400.000 Euro wert sein können.

Sendung: rbbUM6, 21.09.24, 18 Uhr

Artikel von Marc Schwitzky


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