Dass die Ukraine in Deutschland ein Wahlkampfthema ist, ist für das Land nicht neu. Im Sommer, während der Wahlkämpfe in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, war der russische Angriffskrieg eines der Dauerthemen. Für die Ukraine hatte dies keine größeren Konsequenzen. Jetzt sind die Dinge anders.
Die Ukraine steht im Mittelpunkt des Wahlkampfs von Europas wichtigstem Unterstützer. Und das kann Konsequenzen haben. Zumal diese Wahl auch mit einem Regierungswechsel in den USA zusammenfällt, der für die Ukraine von entscheidender Bedeutung sein wird.
Denn plötzlich kommt Bewegung durch diese beiden außenpolitischen Ereignisse, Neuwahlen in Deutschland und einen Regierungswechsel in den USA. Die Verhandlungen werden offener als je zuvor und die Möglichkeit diskutiert, dass die Ukraine möglicherweise Gebiete abtreten muss, um NATO-Schutz zu erhalten. Aber auch, dass Russland einen Preis zahlen muss.
Das kann man als Hoffnung lesen. Damit der Krieg endet oder zumindest eingefroren wird. Doch was jetzt diskutiert wird, ist eigentlich ein gutes Signal für die Ukraine und was bedeutet das für deutsche Sicherheitsinteressen und wie soll der Weg dorthin eigentlich aussehen?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist zum zweiten Mal in der Ukraine. Und natürlich ist das ein Wahlkampf. Alles, was Scholz in den nächsten Wochen tun wird, ist Wahlkampf. Und das Narrativ zwischen Scholz und seinem Unionsgegner Friedrich Merz wird nach dem Motto „Vernunft versus volle Gewalt“ verlaufen. Hier Scholz, der bei Verzicht auf Langstreckenwaffen volle Unterstützung signalisieren will und auf der anderen Seite Merz, der auch bei Langstreckenwaffen volle Unterstützung fordert.
Eine Dritte im Bunde könnte bei diesem Vergleich unter die Räder kommen: Sahra Wagenknecht. Sie hat nicht nur mit der Kurzfristigkeit der Wahl zu kämpfen, sondern auch damit, dass sie politisch etwas untergraben wird.
Bei Trump herrscht immer große Unsicherheit
Doch für die Ukraine ist dies nicht nur ein Wahlstreit. Für sie ist jeder Tag ein Kampf ums Überleben. Und der Machtwechsel zu Donald Trump, der ankündigte, den Krieg innerhalb eines Tages beenden zu wollen, bringt die Ukraine in eine neue Situation. Auf den deutschen Wahlkampf wird Trump keine Rücksicht nehmen. Gut möglich, dass Merz und Scholz ihre Positionen mitten im Wahlkampf noch einmal an eine neue Trump-Realität anpassen müssen.
Der gewählte US-Präsident wird die Ukraine schnell unter Druck setzen, Territorium aufzugeben, und gleichzeitig Russland drohen, wenn es nicht nachgibt, große Mengen der Langstreckenwaffen an die Ukraine zu liefern. Das ist die optimistische Lesart von Trump. Aber bei ihm muss man immer eine ordentliche Prise Unsicherheit hinzufügen. Gut möglich, dass er allein auch die Ukraine unter Druck setzt.
Notwendig seien derzeit vor allem Waffenlieferungen
Die Aussichten, dass im Krieg in der Ukraine etwas passieren wird, sind durchaus gegeben. Aber egal, was passiert, es wird wahrscheinlich nicht zu einem Sieg für die Ukraine führen. Im Gegenteil: Vorschläge wie jetzt der ehemalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Ukraine solle russisch besetzte Gebiete kurzfristig und vorübergehend abtreten, um Frieden zu ermöglichen, werden einen Status quo schaffen.
Es ist unwahrscheinlich, dass die Ukraine diese Gebiete jemals zurückerhalten wird. Und auch der zweite Teil ist offen, nämlich dass die Ukraine stärker unter den Schutz der NATO geraten wird. Ist die Allianz dazu überhaupt bereit?
Und um dorthin zu gelangen, muss die Ukraine in eine gute Verhandlungsposition gebracht werden – und das bedeutet im Moment vor allem Waffenlieferungen, auch solche, die Russland auf dem eigenen Territorium schaden. Erst wenn die Ukraine das Gefühl hat, wirklich einen gewissen Verhandlungsspielraum zu haben, wird es echte Bewegung geben.
Und wie wird Russland das sehen? Als Sieg? Auch als Anreiz, diesen Kurs gegenüber anderen Staaten im ehemals sowjetischen Einflussbereich zu verfolgen? Die Situation könnte eine neue Dynamik annehmen; es wird den deutschen Wahlkampf beeinflussen und die Positionen erneut durcheinander bringen. Aber politisch sind das derzeit keine guten Nachrichten für die Ukraine.
Und doch werden viele Menschen in der Ukraine einfach froh sein, wenn der Krieg endet oder einfriert – egal, wie hoch der Preis ist.