Chemnitz: Sächsischer Innenminister stoppt Abschiebung von Robert A. aus Chemnitz

Chemnitz: Sächsischer Innenminister stoppt Abschiebung von Robert A. aus Chemnitz

Sachsens Innenminister stoppt Abschiebung von Robert A. aus Chemnitz

Obwohl Robert A. sein gesamtes Leben in Deutschland verbracht hat, soll er nach Serbien abgeschoben werden. Am Montag wurde die Abschiebung jedoch überraschend von Sachsens Innenminister Armin Schuster unterbrochen.

Armin Schuster hat entschieden, die Abschiebung von Robert A. nach Serbien vorerst zu stoppen.

Armin Schuster hat entschieden, die Abschiebung von Robert A. nach Serbien vorerst zu stoppen.
© dpa/Kappeler; dpa/Kahnert

Chemnitz. Sachsens Innenminister Armin Schuster hat nach heftiger Kritik die Abschiebung eines Mannes nach Serbien gestoppt. „Ich habe die Prüfung des Falles durch die Landesdirektion angeordnet“, sagte der CDU-Politiker. Nach Angaben des Sächsischen Flüchtlingsrats sollte der 31-jährige Robert A. heute dorthin abgeschoben werden, obwohl er kein serbischer Staatsbürger ist, das Land nicht kennt und kein Serbisch spricht. Politiker verschiedener Parteien protestierten lautstark. Es ist nicht das erste Mal, dass die Abschiebepraxis der sächsischen Behörden für Aufsehen sorgt.

A. wurde am Freitag bei einem Besuch in der Ausländerbehörde Chemnitz festgenommen und in das Abschiebegefängnis Dresden gebracht. Heute sollte er nach Serbien abgeschoben werden.

Nach Angaben des Flüchtlingsrats stammen die Eltern von Robert A. aus Serbien und waren 1993 vor dem Jugoslawienkrieg in die Niederlande geflohen. Dort sei der Mann unter anderem Namen geboren und im Alter von acht Monaten nach Deutschland gekommen, hieß es. A. besitze keine Staatsangehörigkeit. Weder Serbien, das Geburtsland seiner Eltern, noch die Niederlande oder Deutschland hätten ihn als Bürger ihrer Staaten anerkannt.

Abitur und Ausbildung hat er in Chemnitz absolviert, hatte aber immer nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis. „Ich kann diese Praxis nicht akzeptieren. Sie ist nicht gerecht. Sie ist unmenschlich. Sie vergiftet unser gesellschaftliches Zusammenleben. Ich ermutige alle, dagegen zu protestieren“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter. Der Politiker setzt sich seit Jahren für Menschen in Sachsen ein, denen eine Abschiebung droht.

Besuch im Abschiebegefängnis

Richter forderte die Härtefallkommission des Landes auf, sich umgehend für den Betroffenen einzusetzen. „Seine Abschiebung muss gestoppt werden!“ Der Mann sei nie in Serbien gewesen und falle ins Nichts: „Mit anderen Worten: Die sächsische Abschiebepraxis stößt ihn ins Nichts. Als Angehöriger des Roma-Volkes dürfte ihm in Serbien eine Menge Ablehnung und Diskriminierung bevorstehen, zumal er kein Serbisch spricht. Diese Abschiebung ist ein weiterer Tiefpunkt einer menschenverachtenden Praxis, für die letztlich der sächsische Innenminister verantwortlich ist.“

Der SPD-Politiker besuchte den Mann gestern gemeinsam mit anderen im Abschiebegefängnis. „Robert spricht fließend Deutsch. Er hat alles Erdenkliche – und sogar mehr, als ich mir hätte vorstellen können – getan, um sich in Deutschland zu integrieren.“ Ein falscher Namenseintrag der niederländischen Behörden verfolge ihn sein Leben lang. Er habe alles versucht, um diesen Fehler korrigieren zu lassen, unter anderem einen DNA-Test. Dem Flüchtlingsrat zufolge verweigerten die Behörden dem Mann stets eine Arbeitserlaubnis, weil seine Staatsangehörigkeit unklar sei.

Petition gegen Abschiebung läuft

Der Sächsische Flüchtlingsrat hat den Fall des Mannes am vergangenen Freitag öffentlich gemacht. Dave Schmidtke, Sprecher des Flüchtlingsrats, startete eine Online-Petition. Bis zum heutigen Mittag unterzeichneten bereits mehr als 23.000 Menschen sie. „Seine Lebensgeschichte ist eine einzige Tortur, denn er hatte nie eine Sicherheit über seinen Aufenthalt. Jahrzehntelang musste er für die Fehler seiner Eltern büßen und die zuständigen Behörden zeigten keinerlei Menschlichkeit in seinem Fall – egal, wie sehr sich Robert über Jahre bemühte“, erklärte Schmidtke. Am Wochenende demonstrierten in Chemnitz 250 Menschen für das Bleiberecht von Robert A.

Seine Unterstützer verweisen darauf, dass der Mann gut integriert sei und sich auch politisch als Mitglied der Grünen in Chemnitz engagiere. Grünen-Landesvorsitzende Christin Furtenbacher forderte Innenminister Schuster in der Leipziger Volkszeitung auf, aktiv zu werden und die Abschiebung zu stoppen. „Statt einen Weg zu finden, ihm den Arbeitsmarkt zu öffnen, soll er nun in ein Land abgeschoben werden, das er nicht kennt und in dem er nie gelebt hat.“ Schuster kündigte an, die Angelegenheit werde in Abstimmung mit der Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz geprüft.

Warum Robert A. drei Jahrzehnte lang keinen regulären Aufenthalt in Deutschland bekommen konnte, müsse geklärt werden, sagt die Linken-Abgeordnete Juliane Nagel. „Wir fordern für ihn und ähnliche Fälle eine Lösung: Die Ausländerbehörde muss flexible, individuelle Lösungen suchen und fördern. Das Innenministerium muss aufhören, Menschen rauszuwerfen, die Teil dieser Gesellschaft sind!“, fordert sie.

Laufende Ermittlungen gegen Robert A.

Als A. 2016 seine Ausbildung abschloss, habe er zwar zahlreiche Jobangebote bekommen, heißt es beim Sächsischen Flüchtlingsrat. „Aber die Ausländerbehörde der Stadt Chemnitz verweigerte ihm stets die Erteilung einer Arbeitserlaubnis, da seine Staatsangehörigkeit nicht klar war“, heißt es. Dass Robert A. zeitlebens nur geduldet war, sei rechtlich problematisch, warnt der Sächsische Flüchtlingsrat.

Wie die Freie Presse berichtet, hat A. bereits vor vier Jahren eine Straftat begangen. Ein Gericht verurteilte ihn wegen Rauschgifthandels zu einer zweijährigen Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe sei zwar verbüßt, hätte aber erhebliche Auswirkungen auf sein Bleiberecht. Zudem laufe derzeit ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen A. Wie die LVZ berichtet, stehe A. unter Verdacht, einen Diebstahl begangen zu haben. Er sitze bereits in Untersuchungshaft.

Kritik an Abschiebungen in der Vergangenheit

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Kritik an Sachsens Abschiebepraxis. So wurde 2023 ein Mann aus Pakistan bei einem Termin im Gesundheitsamt Hoyerswerda von Polizisten in Gewahrsam genommen.

2021 war eine neunköpfige Familie aus Georgien betroffen. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts mussten sie nach Sachsen zurückgeholt werden.

Im vergangenen Jahr drohte einem in Chemnitz lebenden Vietnamesen die Abschiebung. Er war 1987 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen und hatte später eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen. Diese verlor er wieder, weil er sich länger als erlaubt in seiner alten Heimat aufhielt. Später zog er nach Berlin. (mit dpa)

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