Bundesverfassungsgericht entscheidet: RBB muss kleine Parteien nicht bei Wahl benennen

Bundesverfassungsgericht entscheidet: RBB muss kleine Parteien nicht bei Wahl benennen

Vor wenigen Tagen konnte der Anwalt der Tierschutzpartei, Korbinian Geiger, aufatmen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte seinem Antrag stattgegeben. Die Richter hatten den RBB verpflichtet, alle Parteien, die am Wahlabend in Brandenburg mehr als zwei Prozent erhielten, gesondert aufzuführen. Dies solle für maximal zehn Parteien gelten.

Damit wäre der RBB gezwungen gewesen, mehr Ergebnisbalken anzuzeigen und nicht wie üblich zahlreiche Parteien unter „Sonstige“ zusammenzufassen. Doch der RBB konnte sich mit seiner Niederlage nicht abfinden und rief zwei Tage vor der Landtagswahl das Bundesverfassungsgericht um Hilfe. In einem 20-seitigen Dokument, das der FAZ vorliegt, begründete der Sender, warum er sich die paar Sekunden, die es bräuchte, nicht nehmen wolle, die Tierschutzpartei und andere potenziell betroffene Parteien wie etwa die FDP konkret beim Namen zu nennen.

Kein öffentliches Interesse?

Der RBB erklärte, eine redaktionelle Vorgabe hierfür bestehe nicht, „da das erforderliche öffentliche Interesse an dieser Darstellung nicht besteht“. Sie erscheine willkürlich, „da weder ersichtlich ist, warum Parteien mit einem Stimmenanteil von unter zwei Prozent nicht dargestellt werden sollen, noch ist ersichtlich, warum Parteien mit zwei Prozent Stimmenanteil genauso dargestellt werden sollen wie Parteien, die künftig den Landtag besetzen.“ Diese seien für die Öffentlichkeit von weitaus größerer Bedeutung.

Bei der letzten Landtagswahl in Brandenburg hatte die Tierschutzpartei 2,6 Prozent erhalten, ohne dass dies den RBB-Zuschauern in den Hochrechnungen am Wahlabend mitgeteilt wurde. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sprach später von einem „respektablen Erfolg“ und meinte, dieser hätte am Wahlabend nicht verheimlicht werden dürfen.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass Rundfunkveranstalter frei von äußerer Einflussnahme darüber entscheiden können, wie sie eine publizistische Aufgabe erfüllen (1 BvQ 57/24). Dabei geht es um die Bemessung der Stimmenprozentzahl, die für den Beginn einer Präsentation erforderlich ist. Die Kriterien für die Festlegung dieser Grenze lassen sich weder tatsächlich noch verfassungsrechtlich eindeutig bestimmen. „Die vom Oberverwaltungsgericht festgelegte Grenze (bei zwei Prozent, Anm. d. Red.) beruht auf keinen zwingenden sachlichen Gründen. Auch eine andere Festlegung ließe sich begründen. Die genaue Grenze kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und nicht abstrakt im Voraus festgelegt werden. Denn sie muss auch Stimmenbewegungen im Vergleich zu bisherigen Wahlergebnissen in diesem Bereich berücksichtigen, die sich möglicherweise erst im Zuge der Hochrechnungen und (Teil-)Ergebnisse in der Sendung zeigen.“

Im Gespräch mit der FAZ wies Rechtsanwalt Geiger darauf hin, dass Karlsruhe die verfassungsrechtlichen Fragen offen gelassen und auf Basis einer Folgenabwägung entschieden habe. „Leider glaubte es den pauschalen Aussagen des RBB, die Verpflichtung zur Nennung weiterer Parteien könne zu einer deutlichen Verschiebung redaktioneller Schwerpunkte führen.“ Dass der RBB im Verfahren seine Begründung änderte, spielte für das Gericht keine Rolle: „Vor dem Verfahren hatte sich der RBB auf die Rundfunkfreiheit berufen, wonach Wahlergebnisse unter drei Prozent wegen statistischer Ungenauigkeiten nicht gesondert ausgewiesen würden.“ Den Aspekt der (zusätzlichen) Ergebnisdarstellung im Laufband ließ das Bundesverfassungsgericht völlig außer Acht.

Dauerhaft gewonnen hat der RBB allerdings nicht. Eine rechtskräftige Entscheidung zur Frage der Ergebnisfeststellung steht noch aus. Insgesamt hat der RBB viel Energie und finanzielle Mittel, unter anderem für eine externe Anwaltskanzlei, aufgewendet, um sich ein paar Sekunden zu ersparen und die Bevölkerung lückenlos informieren zu können. Die vom Oberverwaltungsgericht prognostizierten 25.200 Wähler der Tierschutzpartei in Brandenburg werden am Sonntagabend wohl uninformiert über ihre Präferenz bleiben.

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