Berlin – Um überfüllte Notaufnahmen künftig zu vermeiden und die Notfallversorgung zu entlasten, will die Bundesregierung eine entsprechende Reform auf den Weg bringen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) habe gestern die ressortübergreifende Abstimmung mit den anderen Ministerien zu einem Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung eingeleitet, hieß es heute aus Ministeriumskreisen.
Das sagte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) kürzlich in einem Interview mit Deutsche medizinische Fachzeitschrift angekündigt. Ihr Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) plante bereits in der früheren Ampel-Regierung eine ganz ähnliche Notreform. Aufgrund des Koalitionsbruchs konnte das Gesetz jedoch nicht mehr verabschiedet werden. Auch die Grünen-Fraktion im Bundestag hat nun einen eigenen Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes vorgelegt.
Im Mittelpunkt der Notrufreform des BMG steht die Rufnummer 116117, die deutlich ausgebaut und vor allem für Akutfälle genutzt werden soll. Ziel ist es, für jeden Anrufer eine Erstbeurteilung durchzuführen und ihn zum richtigen Pflegeniveau zu führen. Darüber hinaus sollen flächendeckend Integrierte Notfallzentren (INZ) eingerichtet werden. Diese sollen laut Ministeriumskreisen „an ausgewählten Krankenhäusern“ eingerichtet werden.
Das INZ besteht aus der Notaufnahme des zugelassenen Krankenhauses, der Notfalldienstpraxis und dem Erstbewertungszentrum. Die unterschiedlichen Stellen sollen digital vernetzt sein. Wenn Sie einen akuten Fall haben, können Sie immer zu einem INZ gehen, wenn möglich, wählen Sie jedoch zuerst 116117. Wer zuvor angerufen hat, soll im INZ grundsätzlich schneller behandelt werden als selbstüberweisende Patienten mit entsprechendem oder geringem Behandlungsbedarf.
Es soll weiterhin Notaufnahmen ohne INZ geben. Hier kann auch die Erstbegutachtung durchgeführt werden. Es soll jedoch auch möglich sein, Patienten von einem Krankenhaus ohne INZ zu einem Krankenhaus mit INZ zu verweisen.
Integrierte Notfallzentren sind rund um die Uhr geöffnet
Das INZ sollte grundsätzlich rund um die Uhr geöffnet sein. Notfallpraxen sollen zu festgelegten Zeiten (Wochenende 9 bis 21 Uhr, Mittwoch und Freitag 14 bis 21 Uhr, Montag, Dienstag, Donnerstag 18 bis 21 Uhr) Hilfe leisten. Abhängig vom Ergebnis der Erstbegutachtung erfolgt die Behandlung der Patienten entweder in der Notaufnahme oder in der Notdienstpraxis.
Kooperationspraxen in der Nähe des INZ sollen künftig auch außerhalb dieser Zeiten die ambulante Akutversorgung gewährleisten können. Wenn keine dieser Praxen geöffnet ist, sollte die Notaufnahme des Krankenhauses für die ambulante Versorgung sorgen.
Darüber hinaus können integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) eingerichtet werden. An Standorten, an denen dies nicht möglich ist, können Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin telemedizinische Unterstützung leisten.
Zur Gründung des INZ sollen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Rahmenvereinbarungen über die Grundsätze der Zusammenarbeit beschließen. Dadurch sollen bundesweit einheitliche Anforderungen an die INZ-Strukturen geschaffen werden. Es sollte darauf geachtet werden, den bürokratischen Aufwand vor Ort zu reduzieren. Bei örtlichen Besonderheiten können auch Abweichungen von den Rahmenvereinbarungen vorgenommen werden.
Verknüpfung der beiden Notrufnummern
Die Nummer 116117 soll in einem sogenannten Gesundheitsleitsystem digital mit der Notrufnummer 112 verknüpft werden. Zu diesem Zweck soll der Einsatz eines digitalen Informationssystems, das insbesondere die Kapazitäten der erreichbaren Krankenhäuser anzeigt, für Rettungsdienstleister verpflichtend werden. Gleichzeitig steht die Notrufnummer 112 weiterhin für Notfälle mit lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen zur Verfügung.
Die bisherigen Aufgaben der Terminservicestelle im Bereich der Akutfallvermittlung werden künftig von der Akutleitstelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) wahrgenommen. Ihre digitale Vernetzung mit den Rettungsleitstellen ermöglicht eine bessere Kontrolle und Übergabe der Hilfesuchenden. Durch die telefonische ärztliche Beratung unter der Rufnummer 116117, auch per Video, lassen sich viele akute Beschwerden schnell und unkompliziert beurteilen und klären.
Der aufsuchende Dienst der KV sollte nur dann in Anspruch genommen werden, wenn im Einzelfall weder eine Überleitung in die Regelversorgung, eine telemedizinische Behandlung noch eine Versorgung in einem INZ möglich oder sinnvoll ist.
Der Ausbau der 116117 soll mit zusätzlichen Mitteln der GKV und der KV zu gleichen Teilen durch eine pauschale Reservefinanzierung ermöglicht werden. Geplant ist aber auch eine Anschubfinanzierung in Höhe von 225 Millionen Euro für die digitale Infrastruktur der Rettungsdienstleister aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität.
Was sich auch ändern soll, ist, dass die Notfallrettung Teil der Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung wird. Medizinisches Notfallmanagement, Vor-Ort-Betreuung und Betreuung während des Transports sollen als Teil der medizinischen Behandlung anerkannt werden. Zu diesem Zweck wird der Leistungsanspruch im Fünften Buch Sozialgesetzbuch geregelt.
Bisher gab es lediglich eine Kostenerstattung. Dadurch soll künftig ein Streit zwischen Rettungsdiensten und Krankenkassen über die Kostenerstattung für Notfallpatienten verhindert werden. Die verfassungsrechtliche Verantwortung der Länder im Hinblick auf Rettungsdienste soll jedoch nicht berührt werden.
