Am Rande des aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozesses in Avignon hat ein französischer Bürgermeister für eine verharmlosende Äußerung heftige Kritik auf sich gezogen. „Es hätte schlimmer kommen können. Es waren keine Kinder beteiligt, (…) niemand wurde getötet“, sagte der 74-jährige Louis Bonnet dem britischen Sender BBC. Der Bürgermeister von Mazan, der Heimat des Hauptangeklagten, bezog sich damit auf die rund 200 Vergewaltigungen von Gisèle Pelicot, die von ihrem damaligen Ehemann mit Schlaftabletten bewusstlos gemacht und dann von Dutzenden fremder Männer vergewaltigt wurde.
Bonnet entschuldigte sich am Freitag für seine Worte, die im Internet einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatten. „Mir wurde vorgeworfen, die Schwere der abscheulichen Straftaten, die den Angeklagten vorgeworfen werden, herunterzuspielen. (…) Ich verstehe, dass diese Aussagen schockierend sind, es tut mir aufrichtig leid“, teilte der Bürgermeister des Dorfes Mazan auf Facebook mit.
„Diese schreckliche Geschichte verletzt unsere Gemeinschaft zutiefst“
„Diese schreckliche Geschichte verletzt unsere Gemeinschaft zutiefst. Mir ist jedoch bewusst, dass dies nicht mit dem Leid zu vergleichen ist, das Gisèle Pelicot und ihre Familie ertragen mussten“, fügte er hinzu. Der Prozess gegen Pelicots Ex-Ehemann Dominique Pelicot hat seit seinem Beginn Anfang September große internationale Aufmerksamkeit erregt.
Am Donnerstag wurden im Gericht erstmals mehrere Fotos und Videos gezeigt, die Dominique Pelicot selbst von den Taten gemacht hatte. Sie befanden sich auf seiner Festplatte im Ordner „Missbrauch“, Unterordner „Jacques“ – einer der vielen Männer, die er in Internetforen eingeladen hatte, seine bewusstlose Frau zu vergewaltigen. Zuschauer im Gericht mussten während dieser Zeit den Saal verlassen, Journalisten durften jedoch bleiben.
Auf den Videos war zu sehen, wie die bewusstlose Gisèle auf dem Rücken lag, während die beiden Männer sie angriffen. Mitangeklagter Jacques C. erklärte vor Gericht, er habe geglaubt, es mit einem „promiskuitiven Paar“ zu tun zu haben. „Ich war ein bisschen naiv“, argumentierte er. Er habe die Frau zwar berührt, aber es sei zu keiner Penetration gekommen, versicherte er.
Der vorsitzende Richter entschied daraufhin, im Beisein von Journalisten keine weiteren Fotos und Videos zu zeigen – wogegen Gisèle Pelicots Anwälte protestierten. „Dieser Prozess hat die Macht, die Gesellschaft zu verändern. Aber dazu braucht es den Mut, sich der Realität der Vergewaltigung zu stellen“, sagte Stéphane Babonneau während einer Verhandlungspause. Auch die Anwälte der Hauptangeklagten signalisierten ihr Einverständnis mit der Vorführung der Videos.
Gisèle Pelicot, 72, wird in Frankreich für ihren Mut gefeiert. Sie hatte ausdrücklich darauf bestanden, dass der Prozess gegen ihren Ex-Mann und 50 Mitangeklagte nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet, „damit die Scham die Seiten wechselt“.