Die öffentlichen Vorwürfe ehemaliger Turnerinnen über Missstände am Bundesstützpunkt in Stuttgart ziehen erste personelle Konsequenzen nach sich. Zwei Übungsleiter sind vorläufig bis zum 19. Januar freigestellt worden, wie „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ berichteten. Er könne aus rechtlichen Gründen dazu keine Stellung nehmen, teilte der Schwäbische Turnerbund (STB) auf Anfrage mit.
Der STB und der Deutsche Turner-Bund (DTB) sind dabei, die angeprangerten Missstände und Geschehnisse aufzuarbeiten. Dem Bericht zufolge soll dafür eine Kommission gegründet werden, die mit allen Beteiligten – Turnerinnen, Eltern, Trainern und Verbandsverantwortlichen – spricht.
Deweil fordern der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das Kultusministerium von Baden-Württemberg eine genaue Aufarbeitung der Vorwürfe. Diese seien „besorgniserregend“, teilte der DOSB am Freitag auf Anfrage mit.
Man habe den DTB und den STB gebeten, in die angekündigte Selbstüberprüfung und Aufarbeitung der Vorwürfe einbezogen zu werden. Mit dem STB sei ein Gespräch vereinbart worden, hieß es aus dem für den Sport zuständigen Ministerium in Stuttgart. „Die unverrückbare Prämisse der Landesförderung“ sei, „dass internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht über der körperlichen und psychischen Unversehrtheit der Athletinnen und Athleten stehen darf. Verstoßen Sportorganisationen gegen diesen Grundsatz, können Landesmittel zurückgefordert werden.“
„Körperlicher und mentaler Missbrauch“
Am Donnerstag wurde im Stuttgarter Kunstturnforum der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen. Von kommender Woche an werden auch Bundestrainer Gerben Wiersma und Nachwuchsbundestrainerin Claudia Schunk dort Einsätze übernehmen. Das Duo soll vom 7. Januar an präsent sein.
Angeführt von den ehemaligen Auswahl-Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm hatten jüngst mehrere Sportlerinnen Missstände am Kunstturnforum Stuttgart öffentlich gemacht. Angeprangert wurden „systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch“ und katastrophale Umstände.
Auch aktive Turnerinnen äußerten sich. Lara Hinsberger schrieb bei Instagram: „In Stuttgart wurde ich behandelt wie ein Gegenstand. Ich wurde benutzt und das so lange, bis ich körperlich und geistig so kaputt war, dass ich für die Trainer (und irgendwann auch für mich selbst) sämtlichen Wert verlor.“ Sie sei seitdem in psychotherapeutischer Behandlung.“ Die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz hatte eine Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe gefordert.
„Konkrete Informationen zu möglichem Fehlverhalten“
Der DTB hatte bereits vor Hinsbergers Statement eine Untersuchung angekündigt. Zudem seien Sofortmaßnahmen eingeleitet worden. DTB und STB lägen „konkrete Informationen zu möglichem Fehlverhalten von Seiten verantwortlicher Trainer am Bundesstützpunkt in Stuttgart vor“, hieß es.
„Diese Situation zeigt einmal mehr, wie wichtig die Verabschiedung des Safe Sport Codes durch die DOSB-Mitgliederversammlung war und wie wichtig eine zügige Umsetzung in den Mitgliedsverbänden und Strukturen des organisierten Sports ist“, hieß es vom DOSB. Mit dem Safe Sport Code soll interpersonale Gewalt im Sport auch unterhalb der Strafrechtsschwelle rechtssicher geahndet und sanktioniert werden können. Der DTB verabschiedete ihn im November.
Das Kultusministerium will sich laut seiner Mitteilung „auch auf nationaler Ebene gemeinsam mit der Sportministerkonferenz weiter dafür einsetzen, dass im Leistungssport individuellen und strukturellen Faktoren personaler Gewalt entgegengewirkt wird und dem Thema Gewalt im Sport mit einer noch stärkeren Sensibilisierung begegnet wird“.