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Zu seinem 70. Geburtstag: Wie Roland Emmerich das Blockbuster-Kino prägte

Stand: 5. November 2025 4:50 Uhr

Der erfolgreichste deutsche Regisseur Hollywoods wurde einst als „Spielbergle aus Sindelfingen“ verspottet. Heute gilt Roland Emmerich als Pionier des Actionfilms. Er musste seine Ideen gegen enorme Widerstände durchsetzen.

Roland Emmerich wurde 1996 mit „Independence Day“ weltberühmt. Es folgten Filmhits wie „Godzilla“ (1998), „The Patriot“ (2000) und „The Day After Tomorrow“ (2004). Emmerich wurde damit zum Mitschöpfer des Blockbuster-Kinos. Jo Müller glaubt, dass seine schwäbische Art dem Regisseur geholfen hat. Der Kinoexperte und Filmautor begleitet Emmerichs Filmschaffen seit 30 Jahren.

Zum 70. Geburtstag des Hollywood-Stars am 10. November stellte er die Dokumentation „Meister der Apokalypse – Roland Emmerich“ ab dem 5. November in der ARD-Mediathek zur Verfügung. Emmerich verwirklichte seine Visionen mit allen Fähigkeiten, „die man den Schwaben nachsagt: Tüftlertum, Durchsetzungsvermögen und auch Sturheit.“

Einmal Schwabe, immer Schwabe

Seine „schwäbischen Wurzeln“ spürt der Regisseur auch im Alltag, allerdings eher in der Küche: „Jedes Mal, wenn unsere Freunde zu Besuch kommen, werden Spätzle gemacht“, sagt Roland Emmerich in der Dokumentation. „Einmal Schwabe, immer Schwabe.“ Das klingt fast fatalistisch. Aber auch dieses Understatement gehört zu Emmerich. Jo Müller erlebte es, als er den Regisseur in Hollywood besuchte und ihn zu privaten Partys, Veranstaltungen und Dreharbeiten begleitete.

Der Hollywoodstar verstehe sich „als Handwerker, nicht als Filmkünstler“, sagt Jo Müller im Interview über seinen Dokumentarfilm SWR Kultur. Für Emmerich zählt, dass seine Filme funktionieren. Es habe auch geholfen, dass er nicht die „üblichen Eitelkeiten“ eines Hollywood-Regisseurs habe: „Er ist sehr zugänglich, sehr freundlich, bodenständig.“

Kämpfe gegen Spott und Bosheit

Als Filmemacher war Emmerich jedoch von Anfang an kompromisslos. Und auch das gehört zu seiner schwäbischen Vergangenheit: Seine Vision wurde zunächst kaum ernst genommen, als „Spielbergle aus Sindelfingen“ wurde er Anfang der 1990er Jahre sogar belächelt. „Mir ist aufgefallen“, erinnert sich Jo Müller, „als er seine ersten Filme drehte, wie böswillig die lokale Presse mit ihm umging – vor allem die schwäbische Presse.“

Auch Emmerich selbst hält sich mit seinen Eindrücken nicht zurück. 1990 kam sein Science-Fiction-Film „Moon 44“ in die Kinos, gedreht mit dem Animator Volker Engel in einer Panzerfabrik bei Leonberg. Emmerich musste sich stundenlang Beleidigungen von Journalisten anhören. Mehrmals wurde ihm gesagt: „Dann geh nach Amerika, aber die wollen dich sowieso nicht.“ Emmerich antwortete: „Fuck you guys“ – und ging.

Nach Hollywood dank Sylvester Stallone

Schon damals war der Regisseur seiner Zeit voraus. Während Autorenkino in Deutschland gefragt ist, macht er Genrefilme und versucht, Geschichten nicht durch Dialoge, sondern durch starke Bilder zu erzählen. Er malte schon früh und war fasziniert von Architektur und Innenarchitektur. Viele seiner Motive tauchen auch in späteren Filmen auf, etwa in „2012“ von 2009: riesige Flutwellen, einstürzende Autobahnen, Vogelschwärme, die New York verlassen.

Allerdings muss Roland Emmerich auch in Hollywood kämpfen. Zwar erhält er prominente Unterstützung – Actionstar Sylvester Stallone selbst empfiehlt den noch unbekannten Deutschen, nachdem er „Moon 44“ gesehen hat –, doch ein geplantes Filmprojekt mit Stallone scheitert an einem Streit mit Produzent Joel Silver. Seine Drohung an Emmerich ist legendär: „Du wirst in dieser Stadt nie wieder einen Film machen.“ Ein weiterer Mensch, der den Schwaben unterschätzt.

Mit Will Smith die Welt retten

Die schwierigen Jahre enden mit dem „Independence Day“. Roland Emmerichs berühmtester Film spielte 1996 weltweit über 800 Millionen US-Dollar ein. Ein Erfolg, den der Regisseur vor allem auf die Besetzung zurückführt. Im Krieg der Menschheit gegen die Außerirdischen übernimmt Will Smith neben Bill Pullman und Jeff Goldblum eine der Heldenrollen. „Ein Schwarzer, ein Jude und ein weißer Tyrann als Präsident. Die drei haben mehr oder weniger gemeinsam die Welt gerettet“, scherzt Emmerich. Für die Rolle des Will Smith war ursprünglich kein Schwarzer vorgesehen. Doch das Team beschloss, einen schwarzen Schauspieler für die Hauptrolle zu besetzen. Roland Emmerich: „Das war damals revolutionär.“

Allerdings ging es in Hollywood damals größtenteils weniger revolutionär zu. Roland Emmerich ist schwul. Er möchte Actionfilme und Science-Fiction machen. Aber er weiß, dass ein homosexueller Mann in diesen Genres nicht gut ankommt: „Das Wort ‚schwul‘ gehört einfach nicht dorthin. Das hätte meiner Karriere wahrscheinlich nicht gut getan.“ Das hält Emmerich aber nicht davon ab, souveräne Entscheidungen zu treffen. Er war einer der ersten Blockbuster-Regisseure, der sich 2004 in „The Day After Tomorrow“ mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzte. Eine weitere Pioniertat.

„Ich mache Filme bis zum Umfallen“

Drei Jahre zuvor war bei Emmerich ein lebensbedrohlicher Gehirntumor diagnostiziert worden. „Ich dachte damals, ich würde sterben und habe mir gesagt: Bevor ich sterbe, mache ich noch einen Film über das, was mir am wichtigsten ist: den Klimawandel.“ Der Regisseur sei damals überraschend ruhig gewesen, erinnert sich Dokumentarfilmautor Jo Müller. „Als ich die Geschichte über den Gehirntumor hörte, war ich schockiert und erstaunt darüber, wie beiläufig er darüber sprach.“

Emmerich denkt derzeit über eine Fortsetzung des Films „The Day After Tomorrow“ nach. Hat es ihn gerettet, dass er damals einfach weitergemacht hat?

Nach diesen Erfahrungen sei der 70. Geburtstag für ihn „ein großes, großes Datum“. Ebenso sicher ist er: „Ich werde bis zum Umfallen weiterhin Filme machen.“ Aber wird er für immer in den USA bleiben? Er und sein Mann behielten bewusst beide ihre deutschen Pässe. „Man weiß nie, oder?“

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