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Die Krimbrücke ist für Putin ein Symbol der Macht – und für die Ukraine ein verlockendes Ziel. Doch ein ukrainischer Geheimdienstexperte empfiehlt eine andere Kriegsstrategie.
Kiew – Das russische Regime hat vor einem „verheerenden Vergeltungsschlag“ gewarnt, falls die Ukraine erneut die von Russland annektierte Halbinsel Krim oder die Krimbrücke angreifen sollte. Der Grund: In Russland wird spekuliert, dass die Ukraine einen Großangriff planen könnte – rund um den „Tag des Sieges“, den Russland am 9. Mai mit einer Ausstellung erbeuteter Militärausrüstung feiert. Ein gleichzeitiger Angriff auf die Brücke, die die Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet, wäre eine Demütigung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Das gab ein ukrainischer Militärgeheimdienstoffizier im April in der britischen Zeitung bekannt Der Wächter zu: „Wir werden die Brücke im ersten Halbjahr 2024 zerstören.“ Die Zerstörung der bereits zweimal angegriffenen Brücke sei „unvermeidbar“.
Ein ukrainischer Geheimdienstexperte warnt nun ausdrücklich vor der Zerstörung der Krimbrücke. Und das nicht aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Putins, sondern weil er es für eine Verschwendung der ohnehin knappen militärischen Ressourcen der Ukraine hält.
„Was wird uns die Zerstörung der Krimbrücke bringen?“ Warnung vor falscher Taktik im Ukraine-Krieg
„Was wird uns die Zerstörung der Krimbrücke bringen?“ fragt der ehemalige Mitarbeiter des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes Ivan Stupak in einem Interview mit der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian. Die Zerstörung der Krimbrücke wäre komplex und schwierig. Bei früheren Angriffen wurde die Brücke mehrfach beschädigt, anschließend jedoch wiederhergestellt. „Es funktioniert nicht sehr gut.“
Stupak glaubt, dass zukünftige Versuche, die Brücke zu zerstören, eine Energieverschwendung wären. Vor allem, weil Russland nun reagiert hat: Putins Militär nutzt die Brücke offenbar nicht mehr für militärische Zwecke.
Eine ukrainische Open-Source-Agentur stellte kürzlich anhand von Satellitenbildern fest, dass deutlich weniger Züge die Kertsch-Brücke passieren als zuvor. Stattdessen nutzt Russland nun zunehmend Landwege in annektierten Gebieten der Ostukraine, um die Frontlinien im Ukraine-Krieg zu versorgen.
Der Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes, Wassyl Maliuk, sagte im März 2024, dass Russland die Krimbrücke nicht mehr für Waffenlieferungen nutze. Die Züge, die die Brücke passierten, beförderten nur noch Personen und Konsumgüter.
Im Krieg gegen Russland sollte die Ukraine statt der Krimbrücke andere Ziele angreifen
Der ukrainische Militärexperte Stupak empfiehlt in einem Interview mit Unian Deshalb sollten wir nicht noch mehr Raketen und Munition für Angriffe auf die Kertsch-Brücke verschwenden. Stattdessen sollte die ukrainische Armee russische Ziele angreifen, deren Zerstörung größeren Nutzen hätte. Stupak nennt als Beispiele „Hauptquartiere, Lagerhäuser“ sowie Luftverteidigungskomplexe, Flugzeuge und Flugplätze.
Wenn die Ukraine beispielsweise einen russischen S300-Flugabwehrraketenkomplex zerstört, kommt das der ukrainischen Verteidigung direkt zugute: Russland kann dann sofort weniger ukrainische Flugzeuge abschießen und weniger Raketen auf Soldaten abwerfen, „das heißt, wir verlieren kein Militär bzw.“ Zivilisten. Das ist ein großer Mehrwert. Das ist ein direkter Effekt.“ Auch Angriffe auf Ölraffinerien auf dem russischen Festland, wie sie die Ukraine jüngst mehrfach verübte, zeigen Wirkung. Denn sie bedeuteten „die Zerstörung von Putins Geldern“.
Experte empfiehlt Angriffe auf russischen Kampfjet statt auf Krimbrücke
Das Wichtigste für die ukrainische Verteidigung im Krieg gegen Russland sei die Zerstörung russischer Kampfflugzeuge mit hochexplosiven Gleitbomben, sagte der ukrainische Experte. Durch den russischen Einsatz solcher sogenannten FAB-Bomben fiel die ukrainische Stadt Awdijiwka, was sich nun in der derzeit umkämpften Stadt Chassiv Jar wiederholen könnte.
FAB-Gleitbomben würden „wie Dosenwerfer“ in die ukrainische Verteidigung einschneiden, warnt der Militärexperte. Die Ukraine muss daher russische Kampfflugzeuge direkt dort zerstören, wo sie stationiert sind oder wenn sie sich der Ukraine nähern. Dies wäre ein „großer Vorteil und eine Chance, den russischen Vormarsch zu stoppen“, sagte Stupak – im Gegensatz zu aufwändigen Angriffen auf die Krimbrücke.
Letztere sieht Stupak vor allem als PR-Kampagnen „für Facebook“: „Dann wird es zwei Tage lang Likes, Memes und Reposts geben“, „aber was bringt uns das und wie wird es sich auf die Situation an der Front auswirken?“ fragt der Experte kritisch. (smu)