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Wohlstand: Deutschland bezahlt sein Sicherheitsbedürfnis mit Niedergang

Wohlstand: Deutschland bezahlt sein Sicherheitsbedürfnis mit Niedergang

Die USA und Deutschland erlebten während der Pandemie einen Akt der „schöpferischen Zerstörung“. Doch warum ist Amerika gestärkt daraus hervorgegangen und Deutschland nicht? Die gemachten Fehler führen zu Schrumpfung und Abwanderung.

Für Joseph Schumpeter war der Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ die treibende Kraft hinter dem Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft: „Dieser Prozess der industriellen Mutation … revolutioniert die Wirtschaftsstruktur ständig von innen heraus, zerstört ständig die alte und schafft ständig eine neue.“

Mancur Olson vertrat eine ähnliche Ansicht. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs hätten durch die Eliminierung vieler mächtiger Interessengruppen in beiden Ländern Wachstumskräfte freigesetzt. Danach seien Deutschland und Japan in der Lage gewesen, ihre Volkswirtschaften mit größerer Flexibilität, weniger Widerstand gegen Reformen und offeneren Märkten wieder aufzubauen.

Ein Beispiel dafür, was passiert, wenn schöpferische Zerstörung verhindert wird, ist Japan nach dem Platzen der „Blasenwirtschaft“ Anfang der 1990er Jahre. Weil bankrotte Unternehmen gerettet und alte Strukturen erhalten wurden, geriet die Wirtschaft in eine lange Phase der Stagnation.

Die jüngste Veranschaulichung der Auswirkungen schöpferischer Zerstörung liefert ein Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA und Deutschland während der Corona-Pandemie. In beiden Ländern kam es zu flächendeckenden „Lockdowns“ und die Wirtschaft brach zusammen. Beide Länder ergriffen zur Stützung der Wirtschaft umfangreiche fiskalpolitische Maßnahmen, die zu einem erheblichen Teil durch die Geldschöpfung der Notenbanken finanziert wurden.

Auf beiden Seiten des Atlantiks stieg die Inflation und die Wirtschaft erholte sich nach dem Ende der Lockdowns. Allerdings fiel die Erholung in Deutschland deutlich schwächer aus als in den USA. Gängige Erklärungen dafür sind, dass Deutschland viel stärker von den steigenden Energiepreisen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg betroffen war und dass die deutsche Fiskalpolitik möglicherweise weniger expansiv war als die der USA.

Diese Erklärungen sind sicherlich teilweise richtig. Ein weiterer wichtiger Faktor dürfte aber gewesen sein, dass der Prozess der schöpferischen Zerstörung in den USA während der Pandemie viel stärker wirken konnte als in Deutschland. In den USA lag der Schwerpunkt der Unterstützung auf direkten Finanzhilfen und Arbeitslosenunterstützung, während Deutschland auf Kurzarbeit und Arbeitsplatzsicherung setzte.

In der Folge sank die Beschäftigung in den USA mit Jahresraten von bis zu elf Prozent, während der Rückgang in Deutschland lediglich 1,3 Prozent betrug. Nach dem Ende der Lockdowns stieg die Beschäftigung in den USA um bis zu neun Prozent und in Deutschland nur um bis zu 1,6 Prozent.

Viele der in den USA entlassenen Arbeitnehmer kehrten nicht an ihren alten Arbeitsplatz zurück, sondern wechselten in andere Bereiche, in denen sie produktiver beschäftigt waren. So nahm die Beschäftigung im Bereich der professionellen und geschäftlichen Dienstleistungen nach der Pandemie stärker zu als zuvor, während sie im Gastgewerbe weniger stark zunahm.

Nach anfänglichen Schwankungen pendelte sich das Jahreswachstum der Arbeitsproduktivität pro Stunde bei knapp drei Prozent ein und lag damit deutlich höher als vor der Pandemie. In Deutschland, wo ein ähnlicher Strukturwandel nicht zu beobachten ist, schrumpfte die Arbeitsproduktivität pro Stunde mit einer Jahresrate von zuletzt minus 0,3 Prozent.

Im alten, wohlhabenden Deutschland schätzt man Sicherheit und Stabilität. „Kreative Zerstörung“ ist unpopulär. Wachstum wird so zu Schrumpfung. Unternehmen und Unternehmern bleibt nichts anderes übrig als auszuwandern.

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Forschungsinstituts.

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