Mehr als 2.000 Forscher warnen: Die EU droht beim Klimaziel 2040 mit einer Abkehr von der Wissenschaft. Ein ambitionierter Plan sei „eine existenzielle Notwendigkeit“ – und biete auch wirtschaftliche Chancen.
In einem offenen Brief fordern europäische Wissenschaftler die EU auf, sich an die Wissenschaft und das Pariser Klimaabkommen zu halten. „Die politische Diskussion entfernt sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen“, heißt es in dem Brief.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Ein Teil der Emissionen, die bis 2040 eingespart werden sollen, soll durch international anerkannte Klimazertifikate ausgeglichen werden.
„Existenzielle Notwendigkeit“
Die Reduzierung der Emissionen um 90 bis 95 Prozent sei nicht nur eine politische Entscheidung, sondern eine „existentielle Notwendigkeit, um die Zukunft Europas zu sichern und das Leben der Menschen angesichts der immer größer werdenden Gefahr der Überschreitung kritischer Kipppunkte zu schützen“, heißt es in dem offenen Brief an Entscheidungsträger auf EU-Ebene.
Das Klimaziel sei ohnehin überfällig, schreiben Forscher verschiedener Universitäten und Institutionen, darunter mehrere Hundert Wissenschaftler aus Deutschland. Bei der bevorstehenden Weltklimakonferenz im November in Brasilien muss die EU einen verlässlichen Plan vorlegen und als starker und konstruktiver Akteur im Klimaschutz auftreten. Eigentlich hätte die EU ihr Ziel im September den Vereinten Nationen vorlegen sollen.
90-Prozent-Ziel bietet sich auch an wirtschaftlich Gelegenheiten
Mit Blick auf die Zukunft weisen die Forscher in ihrem Brief auch auf die wirtschaftlichen Chancen eines ambitionierten Klimaschutzes hin: Bei richtiger Umsetzung könnte ein entsprechender Plan dazu beitragen, die Strompreise zu senken, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Milliarden an fossilen Importen einzusparen – und Europa unabhängiger von autokratischen Ländern zu machen.
Darüber hinaus sehen Forscher in einem entsprechenden EU-Ziel ein klares positives Signal für Wissenschaft und Menschheit und gegen Fehlinformationen.
Umweltminister Schneider: Deutschland für 90-Prozent-Ziel
Ziel der EU ist es, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Dieses Ziel ist im EU-Klimagesetz verankert. Bis dahin gibt es mehrere Zwischenziele, darunter das 90-Prozent-Ziel bis 2040. Der Vorschlag bedarf noch der Zustimmung der EU-Staaten und des Europaparlaments, doch in mehreren Staaten gibt es deutlichen Widerstand gegen das Ziel.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) unterstützte das von der EU-Kommission vorgeschlagene Klimaziel 2040 und verwies sowohl auf den Koalitionsvertrag als auch auf nationale Gesetze und die darin verankerte Reduzierung von Treibhausgasen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte, das Thema werde am Donnerstag beim Klimagipfel der EU-Staats- und Regierungschefs auf Chefebene diskutiert.