Saßnitz. In einer zunächst turbulenten, aber gegen Ende immer sachlicher werdenden Diskussion diskutierten Stadtrat und Sassnitzer Bevölkerung noch einmal über das LNG-Terminal Mukran. Das Gremium lud Vertreter von Bund und Ländern, dem Landesamt für Landwirtschaft und Umwelt (Stalu) und dem Bergamt Stralsund sowie dem Betreiber „Deutsche Regas“ zu einer Sondersitzung zur „Information und Austausch über den aktuellen Stand der …“ ein „Das LNG-Terminal im Fährhafen Sassnitz“.
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Dass weder Politiker noch Behördenvertreter erschienen, stieß bei Stadtvertretern und den rund hundert anwesenden Gästen auf Unverständnis. Die Bergbehörde hatte erst am Vortag abgesagt und eine Teilnahme von Stalu war „in so kurzer Zeit wegen der Herbstferien und Personalmangels nicht möglich“, zitierte Oberbürgermeister Norbert Benedict (SPD) aus ihrem Schreiben. Stalu-Chef Matthias Wolters sagte, Fragen sollten zusammengefasst und verschickt werden.
Im Umkreis von zehn Kilometern sind Geräusche zu hören
Das sei aber bereits geschehen, sagte Bürgermeister Leon Kräusche. „Wir haben unsere Punkte dem Umweltministerium mitgeteilt. Für mich ist es schwierig, weil ich ein Puffer für Dinge bin, die wir hier nicht verantworten.“ Das sahen auch Stadtvertreter so. „Das dürfen wir ihnen nicht durchgehen lassen“, sagte Nils Peters (CDU) „Was können wir tun, um die Behörden an den Tisch zu bringen?“ Peters schlug sogar eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Stalu-Chef vor: „Jetzt, wo die Kuh auf dem Eis liegt, können sie sich nicht mehr drücken“, sagte Steffen Schröers (AFW).
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Dabei ging es vor allem um Lärm, der durch den Betrieb des Terminals entsteht. Bei den Behörden gingen zahlreiche Beschwerden über nächtliche Ruhestörungen, insbesondere während des Testbetriebs, ein. „Je nach Windrichtung sind die Geräusche in einem Umkreis von zehn bis 15 Kilometern um den Hafen herum zu hören“, sagt Anwohner Karl-Friedrich Lindmayer.
Eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist nicht umsetzbar
Das Gas musste abgekühlt werden, bevor die Anlage Anfang September den regulären Betrieb aufnehmen konnte, heißt es in der Aussage des Betreibers. Die dafür verwendeten Generatoren hätten das lästige Brummen verursacht. Um ihren Einsatz unnötig zu machen, hatte die Stadt große Hoffnung auf die Nutzung von Landstrom gesetzt. Tatsächlich hatte die Regas eine Anlage zur Stromerzeugung mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) beantragt und bewilligt, diese aber letztlich nicht gebaut.
Laut Unternehmenssprecher Oskar Burmann hätte die Anlage von Lubmin übernommen werden sollen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Lieferung mehr als zwei Jahre dauerte und das System technisch nicht für den Einsatz in Mukran geeignet war.
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Anwohner leiden trotz Einhaltung der Grenzwerte
Stattdessen kamen Schalldämpfer und Filter zum Einsatz, sagt Regas-Geschäftsführer Ingo Wagner. „Mit der aktuellen Technologie liegen wir sowohl unter den Stickoxid- als auch den Lärmwerten, die wir mit Kraft-Wärme-Kopplung erreicht hätten.“ Auch die Stadtvertreter Sandro Witt und Stefan Grunau bemängelten, sie hätten von der Entscheidung nichts erfahren.
Die Regasifizierungsschiffe (FSRU, Floating Storage and Regasification Unit) „Energos Power“ (im Vordergrund) und „Neptune“ liegen im Hafen von Mukran.
Quelle: Stefan Sauer/dpa
„Sind Ihre Maßnahmen wirksam?“ fragte Norbert Benedict. „Es reicht schließlich nicht aus, dass man alle Grenzwerte einhält und die Bürger jetzt damit leben müssen“, mahnte der Bürgermeister unter dem Beifall des Publikums. Regas-Chef Wagner versprach, bis Jahresende weitere Massnahmen zur Lärmminderung umzusetzen.
Russische Altöltanker gefährden die Ostsee
Thomas Kunstmann von der „Bürgerinitiative „Lebenswertes Rügen““ hatte bereits im Vorfeld beklagt, dass „aufgrund der anhaltenden akuten Lärmbelastung ökologische Beeinträchtigungen und klimarelevante Aspekte in der Diskussion völlig in den Hintergrund gerückt“ seien.
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Das sah auch Stadtvertreter Stefan Grunau so und verwies bei dem Treffen auf Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace zu „russischen Altöltankern“. Auf einer internationalen Konferenz der Ostseeanrainerstaaten in MV wurden die meist alten und in schlechtem Zustand befindlichen und oft nicht versicherten Schiffe als großes Sicherheitsrisiko für die Ostsee und die Küstenregionen mehrerer Staaten identifiziert.
Ein weiteres Treffen soll Klarheit bringen
Davon wollte Stadtvertreter Dirk Thormann (AZS) jedoch nichts wissen. „Die echte Zeitbombe ist in Mukran“, sagt Thormann. Das Terminal könnte auch die Ursache für tote Robben und Unfälle an der Küste sein. Experten des Nationalparkamtes und des Deutschen Schifffahrtsmuseums halten jedoch beides für widerlegt.
„Lasst uns alle etwas langsamer werden“, schloss Bürgermeister Benedict. „Wenn wir so konstruktiv diskutieren wie heute, werden wir eine Lösung für die Stadt und ihre Bürger finden.“ Die Stadt erwartet nun die Ergebnisse weiterer Massnahmen der Regas und lädt zu einem weiteren Treffen ein. Dann sollte auch ein unabhängiger Schallschutzexperte hinzugezogen werden.
OZ
https://www.ostsee-zeitung.de/lokales/vorpommern-ruegen/ruegen/wut-beim-gipfel-zum-lng-terminal-auf-ruegen-das-koennen-wir-denen-nicht-durchgehen-lassen-NSYZ4AMAZRFJNGZVPZJDQY75O4.html