„Brauche unbedingt Stier“
Ex-Premier Johnson: Scholz soll Taurus an die Ukraine liefern
15.09.2024, 04:57
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Die USA und Großbritannien erwägen, Kiew den Einsatz von Waffen auf russischem Boden zu erlauben. Scholz ist fest entschlossen, in der Taurus-Frage Nein zu sagen, auch wenn er es allein tun muss. Doch dann würde er seinen Kurs des harmonischen Handelns mit seinen Verbündeten brechen.
Nach Ansicht des ehemaligen britischen Premierministers Boris Johnson sollte Bundeskanzler Olaf Scholz seine Ablehnung der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine überdenken. „Wir brauchen unbedingt eine Taurus-Lieferung, ganz bestimmt“, sagte Johnson der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) bei einer Sicherheitskonferenz in Kiew.
Der Brite äußerte zudem großes Verständnis für das Zögern der deutschen Regierung in der Taurus-Frage. „Man muss auch die deutsche Geschichte betrachten“, sagte Johnson. Vor diesem Hintergrund leiste Deutschland bereits enorme Unterstützung für die Ukraine. „Was Olaf hier geleistet hat, ist bemerkenswert“, lobte der frühere britische Premierminister den SPD-Politiker. Dennoch gehe es jetzt darum, in einer entscheidenden Phase klar Stellung zu beziehen, betonte Johnson.
In der Taurus-Debatte geht es auch um mögliche Ziele, die die Ukraine mit dieser Waffe angreifen könnte – womöglich auf russischem Territorium. Großbritannien konnte sich bislang ebenso wie die USA nicht dazu durchringen, Kiew den Einsatz westlicher Waffen gegen russische Ziele zu gestatten. Genau das hatten viele Teilnehmer der Konferenz in Kiew von London und Washington gefordert, um den Einsatz von Gleitbomben gegen zivile Ziele in der Ukraine zu unterbinden – etwa durch Beschuss von Stellungen und Flugplätzen, von denen aus Moskau seine Angriffe koordiniert. Bei einem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premier Keir Starmer wurde hierzu allerdings keine Einigung verkündet, bislang gelten strikte Kilometerbeschränkungen für den Beschuss russischer Stellungen nur in Grenznähe.
Tories fordern Starmer zum Handeln auf
Einem Zeitungsbericht zufolge unterstützen fünf ehemalige britische konservative Verteidigungsminister Johnsons Haltung und fordern Premier Starmer auf, der Ukraine die Stationierung von Langstreckenraketen auf russischem Territorium zu gestatten. Die Tories seien der Ansicht, dies müsse auch ohne US-Unterstützung gelten, berichtet die Sunday Times. Sie warnten den amtierenden Premier, „jede weitere Verzögerung würde Präsident Putin ermutigen“, heißt es in dem Bericht.
Auch eine zu erwartende Änderung der Position der westlichen Partner in der Taurus-Frage könnte den Druck auf Deutschland erhöhen, so die SZ. Bisher hatte Scholz immer wieder betont, im Einklang mit den USA agieren zu wollen. Die Taurus-Marschflugkörper seien in dieser Frage von großer Bedeutung, da sie eine größere Reichweite hätten als bereits gelieferte Marschflugkörper anderer westlicher Verbündeter.
Ischinger: Waffeneinsatz mit Völkerrecht vereinbar
Mit Blick auf das Völkerrecht sieht der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, kein Problem mit der Lieferung der Taurus-Marschflugkörper und ihrem anschließenden Einsatz auf russischem Territorium. „Es wäre für alle klarer und einfacher, wenn wir einfach sagen würden: Wir verpflichten die Ukraine, die Waffensysteme, die sie von uns erhält, ausschließlich in dem Rahmen einzusetzen, der mit dem geltenden Völkerrecht vereinbar ist“, warnt der Sicherheitsexperte.
Damit könne man laut Ischinger keine Krankenhäuser bombardieren, „was die Russen aber dauernd machen“. Stattdessen dürften nur militärische Ziele wie Flughäfen oder Abschussbasen angegriffen werden, um etwa Gleitbombenangriffe zu verhindern. „Denn sonst haben wir gleich die nächste Debatte, wenn wir jetzt sagen 100 Kilometer und die Russen sich dann weiter zurückziehen und von dort aus Systeme mit größerer Reichweite einsetzen“, betonte Ischinger.
Kein Verständnis für Scholz‘ Blockadehaltung in der Taurus-Frage hat CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter. „Alle roten Linien kann man jetzt zu einem roten Teppich für Putin verweben“, so Kiesewetter. Er geht zudem davon aus, dass die USA bald die Erlaubnis zum Einsatz von Langstreckenwaffen gegen militärische Ziele in Russland geben werden.