Weltweit werden zu wenige Kinder geimpft, warnen die Weltgesundheitsorganisation und das Hilfswerk UNICEF. Gründe dafür seien unter anderem eine gestiegene Impfskepsis seit der Corona-Pandemie sowie gewaltsame Konflikte, die den Zugang zu Impfungen erschweren.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Kinderhilfswerk UNICEF sind besorgt über niedrige Impfraten bei Kindern weltweit. Während der Corona-Pandemie habe es einen „historischen Rückgang“ bei den Kinderimpfungen gegeben, erklärten die Organisationen. Doch nach dem Ende der Pandemie stiegen die Impfraten nicht wie erhofft wieder an.
Als Maßstab für die Impfquote bei Kindern weltweit verweisen WHO und UNICEF auf die Zahl der verabreichten Impfungen mit einem Kombinationspräparat, das vor Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten schützen soll. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Grundimmunisierung mit diesem Impfstoff bereits im Säuglingsalter, Auffrischungsimpfungen später etwa im sechsten sowie dann zwischen dem neunten und 16. Lebensjahr und danach alle zehn Jahre.
Die Zahl der Kinder ohne eine einzige Dosis dieser Dreifachimpfung stieg im vergangenen Jahr weltweit auf 14,5 Millionen. Die Quote der geimpften Kinder lag demnach im Jahr 2023 bei rund 84 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag die Zahl der Mädchen und Jungen, die keine Impfung mit diesem Wirkstoff erhalten hatten, bei rund 12,8 Millionen – und die globale Impfquote somit bei rund 86 Prozent. In Europa werden laut Weltgesundheitsorganisation bis zu ihrem ersten Geburtstag im Jahr 2023 rund 500.000 Kinder keinen Grundimpfschutz erhalten haben.
Masernausbrüche als Frühwarnzeichen
Ein Alarmsignal für die Folgen niedriger Impfraten ist laut WHO und UNICEF, dass in den vergangenen fünf Jahren mehr als 100 Länder von Masern betroffen waren. „Masernausbrüche sind ein Frühwarnzeichen. Sie offenbaren Lücken bei der Impfung und treffen vor allem die Schwächsten“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Im vergangenen Jahr erhielten weltweit 83 Prozent der Kinder ihre erste Dosis des Masernimpfstoffs. Das war zwar genauso viel wie 2022, lag aber drei Prozentpunkte unter der Impfrate im Vor-Corona-Jahr 2019. Zudem erhielten nur 74 Prozent der Kinder die notwendige zweite Dosis, warnen WHO und UN. Um Masernausbrüche zu verhindern, ist eine Impfrate von 95 Prozent erforderlich.
Zahl der Impfskeptiker ist gestiegen
Unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Pandemie verzeichneten UN und UNICEF einen leichten Anstieg der Kinderimpfungen, seither sei jedoch kein Fortschritt mehr zu verzeichnen. „Wir hinken hinterher“, warnte Kate O’Brien, die für Impfungen zuständige WHO-Vertreterin.
Aus ihrer Sicht gibt es für die niedrigen Impfquoten mehrere Gründe. Erstens sei während der Corona-Pandemie die Zahl der Impfskeptiker gestiegen. Hinzu kämen Fehlinformationen über Impfungen, die von im Ausland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund verbreitet und zum Teil auch in deren Heimatländer weitergegeben würden.
Die Hälfte der Kinder ohne Impfung lebt in Konfliktregionen
Andererseits herrsche gerade bei den Bewohnern ärmerer Länder oft Misstrauen gegenüber Gesundheitseinrichtungen. Zudem sei in diesen Ländern der Zugang zu den nötigen Impfstoffen oft schwierig, sagte Unicef-Experte Ephrem Lemango.
Den Zahlen der Organisationen zufolge lebt die Hälfte der ungeimpften Kinder in Ländern, „die von Instabilität, Gewalt und Verletzlichkeit geprägt sind“. In diesen Ländern sei die Bevölkerung besonders durch Infektionskrankheiten gefährdet, die aufgrund des unzureichenden Zugangs zu Nahrungsmitteln und angemessener Gesundheitsversorgung eigentlich vermeidbar wären.
Helena Daehler, ARD Genf, tagesschau, 15.07.2024 11:00 Uhr