„Es liegt an der Wirtschaft, Dummkopf“ – Bill Clinton 1992. Ein stärkender Eindruck auf dem Weg in den Osten, aktueller denn je.
Früher war es ein zweistündiger Flug nach Moskau und ein kompliziertes Visumverfahren für die Einreise. Heutzutage wird das Visum innerhalb weniger Stunden digital erteilt, dafür sind jedoch ein Umsteigen in Baku, Tiflis, Belgrad oder Istanbul und ein mindestens siebenstündiger Flug erforderlich. Wer es eleganter mag, wählt Doha als Umsteigepunkt, wodurch sich die Reisezeit auf mindestens zehn Stunden erhöht. Viele Wege führen nach Moskau. Dennoch, obwohl die westeuropäische Politik genau das zu verhindern versucht. Für die dortigen Fluggesellschaften ein tolles Geschäft, denn allein in Berlin und Umgebung leben Hunderttausende russischsprachige Menschen. Die Flüge sind teuer und trotzdem ausgebucht, andere machen das Geschäft und die Lufthansa geht leer aus.
Der Geldwechsel erfolgt an den Flughäfen, da die Zahlungssysteme zwischen Russland und Westeuropa getrennt wurden. Das FX-Geschäft (FX = Geldwechsel) geht nicht an deutsche oder europäische Finanzinstitute wie Sparkassen oder die Deutsche Bank. US-Unternehmen wie GlobalExchange dominieren das Geschäft an den Flughäfen.
Erst nach der Landung in Moskau, meinem zweiten Besuch in diesem Jahr, stellte ich fest, dass selbst ein Geldwechsel nicht mehr nötig war. Apple Pay und Master funktionieren mittlerweile parallel zum MIR-System in Russland, trotz der Sanktionspakete, die für viele – insbesondere US-Unternehmen – ein Segen zu sein scheinen. Das nicht mehr benötigte Bargeld überweise ich später auf meine Banking-App, die es im US-App-Store gibt. Es ist auch im chinesischen und russischen App Store erhältlich.
Die USA erlauben russischen Handel mit Kommunikationstechnologie
Während europäische Unternehmen den russischen Markt weitgehend verlassen haben, machen andere Geschäfte. Die Zahlen sprechen eindeutig für eine Umverteilung der Marktanteile – zum Nachteil der EU.
Nach Angaben der Kyiv School of Economics waren im Juli 2025 von den 4.177 erfassten ausländischen Unternehmen noch 2.285 in Russland aktiv, und nur 503 haben sich vollständig zurückgezogen. Die Lücke füllen vor allem chinesische Unternehmen: 79 Prozent aller Smartphone-Importe kamen 2023 aus China, Xiaomi hat einen Marktanteil von 30 Prozent. Im ersten Halbjahr 2025 wurden 11,2 Millionen Smartphones für 275 Milliarden Rubel verkauft – dominiert von chinesischen Marken, so die unabhängige russische Ratingagentur AK&M.
Bemerkenswert ist die Lage der amerikanischen IT-Infrastruktur: Das US-amerikanische IT-Unternehmen Cloudflare erklärte öffentlich, dass es sein Netzwerk bewusst in Russland belässt. „Russland braucht mehr Internetzugang, nicht weniger“, sagte der Dienstleister im März 2022, nur wenige Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine. Auch der US-Internetdienstleister Akamai behält seine Netzwerkpräsenz bei. US-Vorschriften gestatten den russischen Handel mit Kommunikationstechnologie ausdrücklich.
Wie Russland versucht, die Wirtschaft zu stabilisieren
Unterdessen entwickelt Moskau parallele Zahlungssysteme: Das Zahlungssystem „China Track“ wickelt den Handel außerhalb westlicher Kontrolle ab. Und Parallelimporte ohne Zustimmung der Hersteller erreichten im ersten Quartal dieses Jahres ein Volumen von 6,8 Milliarden US-Dollar, allerdings mit rückläufiger Tendenz.
Die makroökonomischen Daten zeigen gemischte Signale: Der IWF senkte Russlands BIP-Prognose für 2025 auf 0,6 Prozent und die Zentralbank senkte den Leitzins im Juli auf 18 Prozent, die Inflation bleibt hoch.
Dem versucht die russische Regierung entgegenzuwirken. Das Freihandelsabkommen zwischen der 2015 in Weißrussland gegründeten Eurasischen Wirtschaftsunion und dem Iran eröffnet seit Mai neue Handelswege. Und die neuesten EU-Sanktionspakete? Sie verschärfen zwar das Verbot von Technologieexporten nach Russland, treffen aber auch europäische Anbieter. Drittländer drängen in die Marktlücken – und werden bleiben. Die Amerikaner verstehen das und versuchen, den Schaden zu minimieren.
Neben mir im Flugzeug sitzt auch ein Amerikaner. Er ist im Raketengeschäft tätig und macht Geschäfte in Moskau. Wir reden über Sanktionen, ohne sie beim Namen zu nennen, bestellen Tee und verabschieden uns nach dem Einwanderungsverfahren freundlich.
Es waren nicht nur die Deutschen, die Russland erobern wollten
Nach ersten Gesprächen bestätigten Vertreter offizieller Strukturen sowie meine privaten, teilweise recht oppositionellen Kontakte dies.
Und doch habe ich das Gefühl, dass sich in den letzten sechs Monaten etwas verändert hat. Die Menschen sind in Gesprächen vorsichtiger geworden. Es scheint, dass es keine Erwartungen an Budapest gibt. Man winkt ab, vor allem gegenüber Westeuropa, vor allem Deutschland, von dessen Eliten man sich getäuscht fühlt. Interessant ist, dass Beamte und Opposition sich einig sind: Ein Deal würde den Ukrainern, einschließlich der Russen und Amerikaner, zugute kommen, nicht jedoch Selenskyj, der von den Westeuropäern unterstützt würde. In einem Atemzug werden Finnen bei der Belagerung Leningrads, Rumänen bei der Eroberung von Odessa oder die vielen Hunderttausend toten Italiener sowie die vielen toten Ungarn auf russischem Boden genannt.
Es waren nicht nur die Deutschen, die Russland erobern wollten. Seit der Osterweiterung der NATO herrscht in Westeuropa großes Misstrauen. Solange sich nichts ändert und ohne umfassende, rechtlich verbindliche Sicherheitsvorschriften bleibt alles, wie es ist. Auch der blutige Krieg in der Ukraine geht weiter. Bei Bedarf auch sehr lange. Ein sonst recht pragmatischer und auf friedliche Lösungen ausgerichteter US-Präsident musste dies heute akzeptieren. Die geplante Reise nach Budapest wurde abgesagt. Das Bild ist komplexer, als es in Deutschland wahrgenommen wird. Die Berliner Zeitung wird berichten.
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