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Was der Koalitionsausschuss heute entscheiden könnte

Was der Koalitionsausschuss heute entscheiden könnte


FAQ

Stand: 8. Oktober 2025 10:21 Uhr

Im „Reformenherbst“ gibt es bisher wenig Bewegung. Die Erwartungen an den heutigen Koalitionsausschuss sind also hoch. Bundeskanzler Merz verspricht schnelle Entscheidungen über Bürgergelder und eine Stärkung der Autoindustrie. Was wird besprochen?

Die mögliche Themenliste ist lang: Heute ab 17 Uhr sollen SPD, CDU und CSU über eine Reform des Bürgergeldes, der Kranken- und Pflegeversicherung und die schwächelnde Autoindustrie sprechen. Die genaue Tagesordnung sei „noch im Fluss“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, gestern.

Die Ausgangslage sei äußerst schwierig, wie Bundeskanzler Friedrich Merz vorab in der ntv-Talkshow mit Pinar Atalay einräumte. „Ich hätte mir vorstellen können, dass wir einige Entscheidungen früher getroffen hätten.“ In der Koalition mit den Sozialdemokraten sei es nicht einfach, sagte Merz. Aber die SPD wird andersherum sagen: Mit CDU und CSU ist es nicht einfach. Eine Koalition muss zustande kommen. Vertrauen muss weiter aufgebaut werden. Zuletzt gerieten SPD und Union erneut in der Frage des Wehrdienstes aneinander. Nun streben beide Seiten nach Harmonie.

Anders als im vorherigen Koalitionsausschuss, so Bilger, gehe es heute „um die Entscheidungsfindung“. Merz hatte die Ministerien ermahnt, möglichst viele Gesetzesentwürfe bis zum 15. Oktober durch das Kabinett zu bringen, damit der Bundesrat bis Ende des Jahres seine Zustimmung geben kann.

Was ist mit dem Bürgergeld geplant?

Das Geld der Bürger sollte ganz oben auf der Agenda stehen. Kanzler Merz rechnet mit einer schnellen Einigung – möglicherweise noch in dieser Woche. „Auf jeden Fall sind wir an dem Punkt angelangt, an dem wir diese Woche kurz vor einer Entscheidung stehen“, sagte der CDU-Vorsitzende dem Sender RTL. Eine Einigung mit den Bundestagsfraktionen soll spätestens nächste Woche erzielt werden.

Einerseits soll es darum gehen, die Sozialleistung umzubenennen. „Das Wort Bürgergeld wird es nicht mehr geben“, sagte Merz. Das Gesetz zur Reform wird „Grundsicherungsgesetz“ heißen.

Der Hauptpunkt dürften aber die Einsparungen sein, die vor allem die Union vorantreibt. Die Zahl der Bürgergeldempfänger müsse „deutlich reduziert“ werden, sagte die Kanzlerin gegenüber RTL. Zuvor hatte Merz in einem Interview mit SAT.1 von einer Einsparung von zehn Prozent der Geldkosten der Bürger gesprochen – das entspräche rund fünf Milliarden Euro pro Jahr.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte in der ZDF-Sendung „Berlin Direkt“: „Es sind viele Milliarden, da bin ich mir ganz sicher“ – eine konkrete Zahl nannte er auf Nachfrage nicht.

Wissenschaftler sind jedoch skeptisch, was das Einsparpotenzial angeht. „So viel kann man nicht sanktionieren, um auf fünf Milliarden zu kommen“, sagte Arbeitsmarktforscher Enzo Weber im Interview mit tagesschau.de.

Die Regierung wolle einen Blick auf die geschützten Vermögenswerte und Bürgergeldempfänger werfen, die eine Zusammenarbeit mit dem Jobcenter verweigern, sagte Merz.

Auch die SPD-Fraktionschefin Bärbel Bas plädiert für eine „Verstärkung von Mitwirkungspflichten und Sanktionen“. Dies sei ein Instrument, das sich auch die Jobcenter wünschen – denn nur durch den Kontakt zu Arbeitslosen könnten Arbeitnehmer Erfolge erzielen, sagte Bas im Bericht aus Berlin.

Nach Ansicht der Kanzlerin könnte der Umfang der Sanktionen zum Knackpunkt werden. Es wird darüber diskutiert, ob Sanktionen für den ersten oder zweiten Verstoß verhängt werden sollen. Auch ist noch unklar, ob eine Integrationsvereinbarung zustande kommt oder nicht.

Welche Pläne hat die Regierung für die Autoindustrie?

Neben Bürgergeld wird wohl die Autoindustrie das Hauptthema sein. Die Union betonte gestern, sie hoffe, dass vor dem morgigen „Autogipfel“ eine gemeinsame Position mit der SPD vereinbart werden könne. „Wir müssen jetzt ein starkes Paket schnüren, um die deutsche Automobilindustrie in die Zukunft zu führen und Arbeitsplätze zu sichern“, sagte SPD-Co-Vorsitzender Lars Klingbeil. Die Automobilindustrie befindet sich mitten im Wandel. „Jeder weiß, dass die Zukunft elektrisch ist.“

SPD-Co-Vorsitzende Bärbel Bas pocht nun auf Standort- und Arbeitsplatzgarantien, erst dann könne es Investitionen in Standorte oder Batterien geben. Die Belegschaft des Unternehmens habe das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Politik verloren, sagte sie nach einem Treffen mit Betriebsräten aus der Automobilindustrie. Unternehmen haben mit der Umstellung auf Elektroautos begonnen. „Wir wollen den Weg der E-Mobilität weitergehen und die Rahmenbedingungen dafür setzen“, betonte sie.

Besonders hitzig dürfte es in den Diskussionen um den geplanten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor werden. Bundeskanzler Merz sprach sich erneut dafür aus, das ab 2035 geltende Verbot in der EU abzuschaffen. „Meine klare Vorstellung ist, dass wir dieses sogenannte Verbrennungsmotorenverbot in dieser Form nicht beibehalten werden“, sagte Merz im ntv-Talk mit Pinar Atalay. Es geht um technologische Offenheit. „Ich möchte nicht, dass Deutschland zu den Ländern gehört, die an diesem falschen Verbot festhalten.“

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagte, für ihn sei ein Ende der Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 nicht in Frage gekommen. Es geht um Planungssicherheit. Ähnlich äußerte sich SPD-Umweltminister Carsten Schneider.

Grünen-Chefin Katharina Dröge sagte: „Merz bremst mit seinem Rückwärtskurs die deutsche Autoindustrie aus.“ Während Elektroantriebe weltweit auf dem Vormarsch sind, stehen die deutschen Hersteller still. Die ständigen Debatten über den richtigen Zeitpunkt für den Umstieg auf E-Mobilität schadeten der Branche, sagte Dröge.

Im Jahr 2022 wurde beschlossen, dass ab 2035 in der EU keine Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden sollen. Ziel ist es, den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren. Die Union will das Ende der Verbrennungsmotoren kippen.

Was ist mit Wirtschaft und? Bürokratie abbauen?

Besonders besorgt ist die Regierung über die wirtschaftliche Lage Deutschlands. „Nach mehr als zwei Jahren Rezession gibt es immer noch keine wirklichen Konjunkturimpulse“, heißt es im Geschäftsklimaindex der Creditreform-Wirtschaftsinformationsdatei.

Die schwarz-rote Regierung will die Wirtschaft unter anderem durch Bürokratieabbau ankurbeln. Die „Modernisierungsagenda“ sieht eine Reduzierung der Bürokratiekosten um 25 Prozent vor, was rund 16 Milliarden Euro entspricht. Der Personalbestand des Bundes soll um 8 Prozent reduziert werden.

Auch bei den Investitionen müsse sich etwas tun, fordert die Beratergruppe von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche. Der Ausschuss warnt davor, dass die Schuldenflexibilität nur für mehr Investitionen in der Zukunft genutzt werden sollte. Diese würden derzeit dazu genutzt, „Lücken im Haushalt zu stopfen“, kritisierte Ausschussmitglied und Wirtschaftsexpertin Veronika Grimm.

Die Berater schlagen unter anderem vor, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, Renten ab 63 Jahren abzuschaffen und bestehende Renten nur geringfügig anzuheben. Das Papier dürfte heute auch diskutiert werden.

Welche Ansätze gibt es für die Gesundheit und medizinische Versorgung? Pflegeversicherung?

Laut Merz muss die schwarz-rote Koalition in der Pflege und Krankenversicherung harte Entscheidungen treffen. Teuerer dürfe beides nicht werden, sagte er im RTL-Interview: „Wir müssen in Zukunft in unserem Land mehr aus eigener Kraft für die Altersvorsorge, für die Krankenversicherung, für die Pflegevorsorge leisten.“ Er wiederholte seinen Vorschlag, eine höhere persönliche Beteiligung durch kapitalgedeckte Systeme zu organisieren.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken schloss kürzlich Leistungskürzungen nicht aus. Ohne Gegenmaßnahmen werde das Defizit ab 2027 in den zweistelligen Milliardenbereich abrutschen, sagte der CDU-Politiker.

Eine von Warken eingesetzte Expertenkommission arbeitet derzeit an ersten Vorschlägen zur Stabilisierung der Finanzen. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2026 vorgelegt. Beschlüsse der Koalition zu dem Thema sind daher heute eher unwahrscheinlich.

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