In Deutschland wird seit Wochen über ein Comeback der Wehrpflicht debattiert. Kroatien hat bereits Fakten geschaffen. Ab Januar gilt in dem NATO-Mitgliedsland wieder die Wehrpflicht.
Die Sicherheitslage hat sich verändert – das ist, auf den Punkt gebracht, das Argument, mit dem Kroatiens Verteidigungsminister Ivan Anusic von der nationalkonservativen Regierungspartei HDZ die Rückkehr zur Wehrpflicht begründet.
„Die geopolitischen Herausforderungen sind groß und bestehen schon seit langem. Die Position der EU und der NATO sowie der kroatischen Regierung ist, dass mit der Modernisierung und Vorbereitung der kroatischen Armee auf mögliche Bedrohungen sofort begonnen werden muss“, sagte Anusic.
Sicherheit, Thema Nummer eins
Die HDZ unterstützt die Ukraine – und der russische Krieg gegen sie ist auch der Hintergrund für das Comeback der Wehrpflicht in Kroatien; auch wenn Anusic es nicht namentlich erwähnt.
Es beginnt im Januar. Männer bis zum 29. Lebensjahr müssen dann eine zweimonatige Grundausbildung absolvieren, vorbehaltlich eines medizinischen Tauglichkeitstests.
Die Wehrpflicht sei 2008 abgeschafft worden und seitdem hätten 300.000 junge Männer keinerlei militärische Ausbildung erhalten, erklärt der Minister. „Im Moment ist auf sie überhaupt nicht zu zählen, wenn eine Gefahr für das Land droht. Sicherheit ist mittlerweile zum Thema Nr. 1 in Europa und der Welt geworden.“ Das Gleiche gilt für Kroatien. Und in der aktuellen Weltlage kann die Bedrohung von allen Seiten kommen.
Freiwillige für Frauen
Eine Verweigerung ist in Kroatien beispielsweise aus Glaubens- oder Gewissensgründen möglich. Wer sich darauf beruft, muss stattdessen gemeinnützige Arbeit leisten. Der Militärdienst steht Frauen auf freiwilliger Basis offen. Priester, Mönche und Männer mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in einem anderen Land zum Militärdienst verpflichtet sind, sind grundsätzlich davon ausgenommen.
Der Schritt wurde Ende Oktober im Parlament in Zagreb mit großer Mehrheit angenommen. Auch die Sozialdemokraten, die größte Oppositionspartei, waren dafür. Der Abgeordnete Arsen Bauk sagt, dass eine Analyse anhand der Anzahl der Soldaten und strategischer Dokumente durchgeführt wurde und zu dem Schluss kam, dass „eine militärische Grundausbildung notwendig“ sei. Deshalb unterstützt seine Partei die Wiedereinführung.
Vorwurf des Populismus
Trotz des großen Konsenses gibt es auch Kritik an der erneuten Wehrpflicht. Es kommt unter anderem von Sandra Bencic vom links-grünen Parteienbündnis. Bencic setzt sich dafür ein, den freiwilligen Militärdienst attraktiver zu machen, um auf dieser Basis eine Berufsarmee aufzubauen.
Sie hält die Wiedereinführung der Wehrpflicht für einen „einfachen populistischen Schachzug“, mit dem die Regierung nur den Eindruck erwecken wolle, etwas zu tun – tatsächlich habe die Entscheidung „nichts mit der Stärkung der nationalen Sicherheit oder der Verteidigung der Republik Kroatien“ zu tun. Diese Kritik konnte jedoch die Rückkehr zur Wehrpflicht nicht verhindern.
Während der Wehrausbildung erhalten die Rekruten 1.100 Euro netto im Monat. Sie sollen später auch bei der Anstellung im Staatsdienst bevorzugt werden.
Wer sich der Wehrpflicht entzieht, muss mit Geldstrafen rechnen. Laut Medienberichten hofft die kroatische Armee, jährlich 4.000 Rekruten ausbilden zu können.
