![Warum Berlin nicht mehr Langstreckenflüge bekommt Warum Berlin nicht mehr Langstreckenflüge bekommt](https://i2.wp.com/berliner-zeitung.imgix.net/2024/06/18/91c6311a-7dd6-43f0-adce-99a17b69488a.jpeg?w=1024&auto=format&w=1024&resize=1024,0&ssl=1)
Es ist ein Traum, den diese Stadt seit mehr als drei Jahrzehnten träumt: Berlin als Drehscheibe des Weltluftverkehrs mit Direktverbindungen zu allen Großstädten. Doch dieser Traum ist nicht nur aufgrund der besonderen Geschichte und wirtschaftlichen Schwäche Berlins als Luftfahrtstandort unrealistisch. Ständig steigende staatliche Gebühren und Steuern verteuern vor allem Langstreckenflüge. „Deutschland und damit Berlin verliert an Konnektivität. „Wir halten das für falsch“, sagte Flughafenmanagerin Aletta von Massenbach am Dienstag. Dass der Luftverkehr hierzulande nicht wächst, wird das Weltklima nicht retten. Sie forderte dringend eine Senkung der Luftverkehrssteuer.
Im Haus der Luftfahrt zeigte von Massenbach eine Karte der Langstreckenflüge am BER, die übersichtlich wirkte. New York, Miami, Jeddah, Doha, Dubai, Singapur und Peking: Diese sieben Ziele sind die einzigen Städte auf anderen Kontinenten, die vom neuen Flughafen Schönefeld aus nonstop erreichbar sind. Es gibt elf Verbindungen.
Interkontinental-Passagieraufkommen am BER ist „nicht normal“
Kein Wunder, dass der Interkontinentalverkehr in Berlin nur einen geringen Anteil ausmacht. Die Zahl der Passagiere in diesem Segment ist gestiegen: Während im Jahr 2022 am BER rund 1,3 Millionen Passagiere gezählt wurden, wird die Zahl in diesem Jahr voraussichtlich bei 1,8 Millionen liegen. Im Vergleich zum Vorjahr sei das eine Steigerung um immerhin sechs Prozent, sagte der Flughafenmanager. Doch im Vergleich zu anderen Metropolen sei das Interkontinentalaufkommen „nicht normal“. In diesem Jahr erwartet die FBB insgesamt 25,3 Millionen Passagiere am BER – 2023 waren es 23,1 Millionen.
„Wir könnten mehr gebrauchen“, sagte Aletta von Massenbach. Man kann es verstehen, wenn Politiker und Unternehmer in Berlin und Brandenburg mehr Direktverbindungen fordern – zum Beispiel nach China. „Wir sprechen mit vielen Fluggesellschaften.“ Doch von Massenbach appellierte an Verständnis dafür, dass Fluggesellschaften in erster Linie wirtschaftlich denken müssen. „Wenn der Markt solche Verbindungen nicht hergibt, wenn keine Airline zu finden ist, kann man trotzdem viel verlangen“ – das nützt nichts. Der Grundgedanke der Luftfahrt ist kommerziell und nicht staatlich getrieben.
Als eines von mehreren Beispielen nannte von Massenbach Cathay Pacific, die größte Fluggesellschaft Hongkongs. Der Flughafenmanager wies darauf hin, dass das erwartete Passagieraufkommen zwischen Hongkong und BER kaum ausreichen werde, um eine solche Direktverbindung nachhaltig rentabel zu machen. Gesucht werden Passagiere, die weiterhin von Berlin aus fliegen wollen. „Es braucht Umsteiger, es braucht Partner.“ Letzteres wäre aber auch deshalb schwierig, weil am BER Billigflieger und die Lufthansa Group dominieren – Cathay ist mit ihnen nicht verbunden.
Berliner Politiker und Geschäftsleute bringen gerne die Emirate ins Spiel. Aufgrund eines Luftverkehrsabkommens ist die Anzahl der Flughäfen, die die staatliche Fluggesellschaft aus Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Deutschland anfliegen darf, begrenzt. Nach Berlin dürfte sie nur fliegen, wenn ein anderes Ziel gestrichen würde – zum Beispiel Düsseldorf. Da die Flüge von Emirates nach Deutschland jedoch gut ausgelastet sind, bestünde kaum ein Anreiz für eine solche Änderung. Auch in diesem Bereich erwartet der BER keine Bewegung.
Lufthansa: In Berlin mangelt es an Business- und First-Class-Passagieren
Der Flughafenmanager ist überzeugt, dass auch ein neuer Bundesverkehrsminister die Einigung nicht ins Wanken bringen wird. Die Befürchtung, dass sich weiterer internationaler Anschlussverkehr von Deutschland wegbewegt und noch mehr Menschen die hiesigen Flughäfen umfliegen, bleibt virulent. Zusätzliche Emirates-Verbindungen, beispielsweise ab Berlin, würden die Entwicklung beschleunigen und den Flughafen Dubai weiter aufwerten, sagte von Massenbach. Die Sorge vor einem „weiteren Konnektivitätsverlust“ im Land sei berechtigt. Condor fliegt übrigens seit Oktober vom BER nach Dubai.
In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik an der Lufthansa gegeben. Es wurde kritisiert, dass die größte deutsche Fluggesellschaft Berlin vernachlässige. Die Lufthansa Group konnte sich erneut als wichtigster Frequenzgenerator am Hauptstadtflughafen behaupten: Von Januar bis November kamen auf sie 23,6 Prozent der Passagiere. Doch der Großteil flog mit Eurowings. Die Kernmarke Lufthansa verkehrt von Berlin aus lediglich als Zubringer zu den Drehkreuzen Frankfurt am Main und München. Das Aufkommen auf beiden Strecken ist seit 2019 um die Hälfte gesunken.
Ryanair hat noch keine endgültigen Stornierungen am Flughafen BER bekannt gegeben
Lufthansa hat den Berlinern immer wieder geantwortet, dass es in Berlin mangels großer Firmenzentralen an Business- und First-Class-Passagieren mangele. Während der deutschen Teilung waren Berliner Flughäfen für die Airline mit dem Kranich-Logo ohnehin tabu. Nach der Wende entstand ein spezifischer Luftverkehrsmarkt, in dem eine Fluggesellschaft wie Lufthansa kaum Verluste erlitt. Die deutsche Hauptstadt sei ein Low-Cost-Reiseziel, sagen Experten. Die aktuelle BER-Passagierstatistik von Januar bis November bestätigt dies: 20,4 Prozent reisten mit Ryanair, 15,9 Prozent mit Easyjet.
Allerdings hat Ryanair angekündigt, nach langem Wachstum auch das Angebot am BER reduzieren zu wollen – und zwar um 20 Prozent. „Über die angekündigten Änderungen des Sommerflugplans 2025 liegen uns noch keine abschließenden Informationen vor“, sagte der BER-Chef. „Aber wir nehmen es äußerst ernst, wenn die Ryanair-Chefs sagen, der Luftfahrtstandort Deutschland sei zu teuer. Das sagen auch andere – wir sind ein Teil davon. Sie können darüber sprechen, wie die Fluggesellschaft kommuniziert. Aber dass ein Unternehmen kostenbewusst agiert, ist nichts Verwerfliches, sondern eher verständlich. Ryanair ist die größte Fluggesellschaft Europas, BER ist Ryanairs größter Standort in Deutschland.“
„Für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Entwicklung dramatisch“
Sorge, dass Deutschland immer mehr Verbindungen zur Welt verliert: Das beschäftigt Aletta von Massenbach, die vom Flughafenverband ADV zur neuen Präsidentin gewählt wurde, schon seit Längerem. „Die Rahmenbedingungen für den deutschen Luftverkehr sind derzeit sehr schwierig“, sagte der Flughafenmanager. Das liegt an den hohen Kosten – womit sie weniger die Flughafengebühren als vielmehr die ständig steigenden Steuern und Gebühren in Deutschland meinte. Ostdeutschland droht abgehängt zu werden. „Für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Entwicklung dramatisch“, sagte die Vorsitzende der FBB-Geschäftsführung. Ryanair wird sich dort im Jahr 2025 komplett zurückziehen.
Zahlen zu Standortkosten präsentiert Massenbach. Eine ihrer Statistiken zeigt die Beträge, die für einen typischen Flug innerhalb des europäischen Schengen-Raums anfallen: für einen Mittagsflug einer Boeing 787, die zu 80 Prozent ausgelastet ist. Am BER belaufen sich die Flughafengebühren nach deutschem und EU-Recht für ein solches Flugzeug auf 3.082 Euro. Hinzu kommen die Luftverkehrsteuer, die Luftsicherheitsgebühr und die Flugsicherungsabgabe in Höhe von 3.775 Euro. Macht 6856 Euro.
Andere große Flughäfen in Deutschland erheben noch höhere Flughafengebühren. In München würden für einen solchen Flug insgesamt 4.203 Euro fällig, in Frankfurt am Main 4.644 Euro. Die Gesamtkosten betragen dort 7.913 bzw. 8.436 Euro. Zum Vergleich: Prag erhebt am Flughafen deutlich höhere Gebühren als beispielsweise Berlin: 4.589 Euro. Allerdings fallen die Steuern und Gebühren deutlich geringer aus, sodass insgesamt nur 4966 Euro fällig werden. In Kopenhagen sind es 4929 Euro.
Gebühren, Steuern und Gebühren für einen Flug nach New York: 22.942 Euro
Der BER-Chef zeigte eine andere Grafik. Dort ist Berlin-New York eine Fernstrecke – eine Interkontinentalstrecke, die sich viele Menschen von Berlin wünschen. Doch den Zahlen zufolge summieren sich Gebühren, Steuern und Abgaben auf stolze 22.942 Euro. Der Hauptverursacher hierfür ist die Luftverkehrssteuer. „Andere Länder besteuern Kurzstreckenflüge höher als Langstreckenflüge, weil sie viele internationale Verbindungen wünschen. Bei uns ist es umgekehrt“, analysierte von Massenbach. Ein vergleichbarer Beispielflug ab Rom Fiumicino würde nur 10.155 Euro kosten, ab Warschau 5.606 Euro. Diese Ungleichheit hat auch Auswirkungen auf Berlin. BER hat schlechte Karten.
![Mit 300 km/h durch den Thüringer Wald: Dank der Schnellfahrstrecke dauert eine Fahrt mit dem ICE von Berlin nach Nürnberg nur zwei Stunden und 45 Minuten. Auf der Strecke gibt es keine Linienflüge mehr.](https://berliner-zeitung.imgix.net/2024/12/10/b793fd4f-a708-4f0f-b911-a7302bcd3afe.jpeg?auto=format&fit=max&w=1880&auto=compress)
Mit 300 km/h durch den Thüringer Wald: Dank der Schnellfahrstrecke dauert eine Fahrt mit dem ICE von Berlin nach Nürnberg nur zwei Stunden und 45 Minuten. Auf der Strecke gibt es keine Linienflüge mehr.Martin Schutt/dpa
Apropos Kurzstreckenflüge: Inländische Flüge spielen am Flughafen Berlin Brandenburg kaum eine Rolle. In diesem Jahr erwartet die Flughafengesellschaft FBB in diesem Bereich insgesamt drei Millionen Passagiere, das sind 1,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Seit dem letzten Jahr vor Corona ist die Menge deutschlandweit um 65 Prozent gesunken. Die Wirtschaft hat dazu beigetragen, es gibt weniger Geschäftsreisende. Doch neue Bahnverbindungen raubten den Flugzeugen auch Marktanteile im innerdeutschen Verkehr, heißt es in einer Analyse von Bundespolitikern.
Der Flugverkehr wachse weltweit – nur nicht in Deutschland, sagte von Massenbach. „Es ist nicht so, dass wir das Klima retten“, das Wachstum finde im Ausland statt. Für sie ist der Rückgang des Inlandsflugverkehrs kein Grund zur Freude. Sie möchte, dass Deutschland bei der Entwicklung neuer, klimafreundlicher Technologien weiterhin an der Spitze bleibt. „Und es ist nicht so, dass wir froh sind, dass man nicht mehr von Berlin nach Karlsruhe fliegen kann.“ Um Elektroflugzeuge zu testen, braucht es Anwendungsfälle – kurze Wege. Dies könnte eine Verbindung wie Berlin-Nürnberg sein. Allerdings gibt es dort keine Linienflüge mehr, sondern nur noch Züge und Straßen.
Es tut nichts Gutes, wenn man den deutschen Luftverkehr und die deutsche Wirtschaft „killt“. So kann man „den Inder“ nicht davon überzeugen, „unsere Lösungen“ zu kaufen.