![Warum Andreas Ewald noch im Amt ist Warum Andreas Ewald noch im Amt ist](https://i2.wp.com/media1.faz.net/ppmedia/aktuell/politik/1153452188/1.10166611/facebook_teaser/sie-trat-aus-protest-zurueck.jpg?w=1024&resize=1024,0&ssl=1)
Wer einmal lügt, dem wird nicht geglaubt. Das ist das Sprichwort. Die Spitzen der hessischen Grünen äußern sich zurückhaltender, weil es um sie selbst geht. Sie stellen aber immerhin auch fest, dass „das Vertrauen der Partei in den Landesvorstand beschädigt“ sei. Kein Wunder. In der Debatte um die Frage, ob es sich bei den Auslandsreisen des Co-Vorsitzenden Andreas Ewald um illegale Spenden handelte, wurden Abgeordnete, Öffentlichkeit und Bundestagsverwaltung mehrfach getäuscht.
Der Rest des Vorstands appellierte an Co-Vorsitzende Kathrin Anders, die das nicht mehr sehen wollte und aus Protest zurücktrat, ihr Schritt sei „logisch“ gewesen. Doch er selbst bleibt trotz des eingestandenen Vertrauensverlusts im Amt. Dies ist ein Tiefpunkt der politischen Kultur. In anderen Parteien hatten Mitglieder und Älteste bereits einen Rückzug von Ewald angeregt, als er schriftlich mitteilte, dass das Bundesamt und ein Finanzamt seine Reisen für „in Ordnung“ befunden hätten. Tatsächlich hatte überhaupt kein Test stattgefunden. Letzte Woche wurden die Auslandsaufenthalte gegenüber der Bundestagsverwaltung als privat erklärt. Das Gegenteil liegt auf der Hand. So verfasste Ewald beispielsweise die Korrespondenz über seinen Aufenthalt in Israel auf dem offiziellen Briefkopf der Partei und wurde vom Generalkonsulat auch mit „Herr Vorsitzender“ angesprochen.
Der Grund dafür, dass er und der Rest des Vorstands trotz der Affäre voraussichtlich bis zur Bundestagswahl im Amt bleiben, sind organisatorische Herausforderungen. Die dabei erfolgte Überlegung ist sinnvoll: Wenn es um die konkreten Interessen der Partei geht, ist die Integrität der Führung zweitrangig. Auch Ewald hat keinen sachlichen Grund zur Beanstandung. Bis Februar kann er seinen Lebensunterhalt noch mit den Bezügen bestreiten, die er von der Partei erhält. Sollte der Landtagsabgeordnete Tarek Al-Wazir im Frühjahr in den Bundestag einziehen, rückt Ewald in den Landtag nach.
Was auf den ersten Blick wie eine zufällige, irrationale Mischung fragwürdiger Motive erscheint, lässt sich letztlich auf ein bestimmtes Ziel zurückführen. Die beiden Alphatiere Omid Nouripour und Al-Wazir wollen beim Marburger Parteitag an diesem Samstag hohe Listenplätze erhalten, um die nächste Wahlperiode in Berlin verbringen zu können. Nichts würde sie an diesem Tag mehr beschäftigen als eine Debatte über den Umgang der Parteispitze mit Spenden, der Wahrheit und Andersdenkenden. Die Ankündigung, den kritisierten Vorstand „unmittelbar“ nach der Bundestagswahl auszutauschen, soll verhindern, dass potenzielle Kritiker die Stimmung verderben. Alles deutet darauf hin, dass die Strategie aufgeht und die Basis das Geschehen in Marburg weiterhin genau beobachtet.
Anders hat alle Argumente und das Gesetz auf ihrer Seite, aber niemand wagt es, das laut auszusprechen. Solche Zeichen demokratischer Vitalität sind in diesen Wochen bei den Grünen nur schwer zu erkennen. Al-Wazir und Fraktionschef Mathias Wagner haben großartige Arbeit geleistet, seit sie vor einem Jahrzehnt mit der Disziplinierung der Partei begonnen haben. Es scheint, dass sie auch die Selbstheilungskräfte zerstört haben, die jede Partei zum Überleben braucht.