Wahnsinnig und gewalttätig
Andrea Sawatzki wollte ihren Vater töten
20. Oktober 2025, 12:16 Uhr
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„Wenn das, was ich empfand, Hass war, dann habe ich meinen Vater unermesslich gehasst“, sagt Andrea Sawatzki. Die Schauspielerin spricht über ihre traumatische Kindheit mit einem gewalttätigen, an Demenz erkrankten Vater. Mit gerade einmal zwölf Jahren hegt sie bereits extreme Gedanken.
Andrea Sawatzki sprach offen über ihre schwierige Kindheit. Sie habe sich damals um ihren Vater kümmern müssen, der ihr gegenüber gewalttätig geworden sei, erklärt die Schauspielerin. Als sie erst zwölf Jahre alt war, hätte sie ihn am liebsten umgebracht, so ihre drastische Schilderung in einem Interview mit „Die Zeit“.
Sawatzkis Vater litt an einer Form von Demenz. Mit fortschreitender Krankheit sei er immer gewalttätiger geworden, sagt die Schauspielerin. Die heute 62-Jährige berichtet, wie sie nach einem Streit vor ihm fliehen wollte. Sie stürzte und wurde von ihrem Vater gepackt. „Er hielt mich fest und schlug mir wiederholt ins Gesicht. Er schnitt mir mit seinem Ehering die Augenbraue auf. Es blutete fürchterlich.“
Als sie sich in diesen Jahren um ihren Vater kümmern musste, „gab es irgendwann nur noch Angst und Unlust. Und auch Hass.“ Als ihr Vater 1978 starb, verspürte sie ein Gefühl des Glücks. „Wenn das, was ich empfand, Hass war, dann habe ich meinen Vater über alle Maßen gehasst“, sagt sie. „Wenn die Krankheit nicht gewesen wäre, hätte ich ihn sicherlich genauso sehr lieben können.“
„Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater töten“
Lange Zeit hatte sie Angst davor, selbst Mutter zu werden. „Ich hatte das Gefühl, ich könnte nicht lieben“, sagt sie. „Dass ich keine Geduld habe. Es lag wohl auch an der Angst, noch einmal in so einer Wohnung eingesperrt zu werden.“ Sie gehe davon aus, dass sie „nicht die richtige Person für eine Familie“ sei. „Ich wollte meine ungeborenen Kinder vor einer Mutter wie mir schützen.“
Doch Sawatzki, die im Laufe ihrer langen Karriere auch die „Tatort“-Kommissarin Charlotte Singer spielte, fand später großen Rückhalt in der eigenen Familie. Seit 2011 ist sie mit ihrem Schauspielkollegen Christian Berkel verheiratet, die beiden haben zwei gemeinsame Söhne, die mittlerweile erwachsen sind. Doch dann sei sie in die Rolle der Mutter hineingewachsen, sagt die Schauspielerin. „Ich habe das Kind in mir gefunden und bin eine sehr liebevolle Mutter geworden. Und eine unglaublich glückliche Mutter.“
Sie führt dies auf ihre beiden Söhne zurück: „Ohne meine Kinder hätte ich nicht in meine Kindheit zurückkehren und die Geister der Vergangenheit ans Licht bringen können. Ohne meine Familie hätte ich dieses Leben nicht überlebt. Ich hätte mir nie vergeben“, sagt sie. Zuvor hatte sie große Schuldgefühle gehabt: „Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater töten. Aber ich habe es geschafft, die kleine Andrea in meinen Armen zu halten. Und ihr zu sagen: Du bist nicht so schlimm, wie du denkst.“
Ihre Mutter hatte Nachtdienst
Bereits 2023 hatte Sawatzki der „Bild“-Zeitung erzählt, dass ihre Mutter als Nachtschwester arbeitete und sich anschließend um ihren erkrankten Mann kümmerte. „Ich übernahm die Leitung, als ich von der Schule nach Hause kam, damit sie etwas schlafen konnte, und dann kümmerte ich mich die ganze Nacht über um meinen Vater“, erinnert sich Sawatzki. Auch ihre schulischen Leistungen litten darunter; Sie sei oft „gar nicht gegangen, weil ich einfach zu müde war“.
Mit 17 zog sie nach München und arbeitete als Kellnerin: „Es war auch ein gutes Gefühl, endlich eigenes Geld in der Tasche zu haben, weil wir zu Hause chronisch pleite waren.“ Später begann sie mit der Schauspielerei, auch wenn sie zunächst „eigentlich darüber nachgedacht hatte, mein Leben weiterhin so zu verbringen“. Die Schauspielerei wurde offenbar zu einer Art Flucht: „Zuerst dachte ich, ich könnte meinem eigenen Leben entfliehen und mich hinter meinen Figuren verstecken. Doch mit etwa 30 Jahren wurde mir klar, dass die Schauspielerei einen immer mitnimmt und dass man keine Rolle spielen kann, ohne sein eigenes Leben einzubringen.“