Jetzt wird es eng für Kanzler Scholz: Die FDP hat bei der Brandenburg-Wahl eine Ohrfeige erlitten. Parteichef Lindner soll über das Scheitern der Ampel-Koalition beraten.
Berlin/Potsdam – Es wird ernst: Für die FDP endete die Brandenburger Wahl 2024 im Desaster. Mit knapp über einem Prozent tauchen die Liberalen nicht einmal mehr in den offiziellen Charts auf, sondern werden nur noch gemeinsam mit allen anderen Splitterparteien unter „Sonstige“ geführt. Den Schuldigen für diese Abwärtsspirale haben viele Liberale bereits ausgemacht: die Ampelkoalition auf Bundesebene. Die Parteiführung liebäugelte immer wieder mit einem Austritt. Doch nun, nach einer erneuten Niederlage bei einer Landtagswahl, könnte die Partei womöglich tatsächlich den Stecker ziehen.
Brandenburg-Wahl 2024: FDP diskutiert Bruch der Ampel-Koalition nach Ergebnis-Flop
Derzeit soll Parteichef Christian Lindner (FDP) die Spitzenführung zu einer Telefonkonferenz zusammengerufen haben. Nach dem schwachen Ergebnis bei der Brandenburger Wahl soll auch über den Ausstieg aus der unpopulären Ampelkoalition auf Bundesebene diskutiert werden. Das berichtete Fokus am Sonntagabend unter Berufung auf Teilnehmer. Die nächsten 48 Stunden seien entscheidend, hieß es. Steht Kanzler Olaf Scholz nun tatsächlich vor einem unfreiwilligen Ende?
Prognosen zufolge liegt die FDP in Brandenburg bei knapp über einem Prozent
Fest steht: Die Brandenburger Wahl lässt bei der FDP die Alarmglocken schrillen. Ersten Hochrechnungen zufolge werden die Liberalen nur rund 1,2 Prozent der Stimmen erhalten. Gewinner ist die SPD mit Ministerpräsident Dietmar Woidke, die die AfD knapp davor bewahren konnte, stärkste Kraft zu werden. Dahinter stehen die CDU und die Koalition um Sahra Wagenknecht (BSW). Die Grünen lagen ersten Ergebnissen zufolge nah an der Fünf-Prozent-Hürde. Doch für die FDP war schon zu Beginn der Wahlnacht klar, dass für sie nichts zu holen sein würde.
Koalitionsbruch? FDP-Generalsekretär weicht der Frage aus
Für die Liberalen ist es die Fortsetzung eines langen Abwärtstrends. Seit Jahren erzielen sie auf Landesebene enttäuschende Ergebnisse. Doch die Landtagswahl in Brandenburg könnte nun der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Offiziell wich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in einer ersten Reaktion der Frage einer möglichen Ampel-Panne aus. „Es geht darum, die Probleme zu lösen. Es geht nicht darum, über Farbenlehre oder unterschiedliche Koalitionen zu reden“, sagte der liberale Politiker in der Berliner Runde der ARDAllerdings hätten bundespolitische Fragen die Wahl in Brandenburg entschieden, fügte er hinzu.
Es gibt eine große Fraktion innerhalb der Partei, die die Ampelkoalition schon lange für den schleichenden Niedergang der einst stolzen Partei verantwortlich macht. Schon vor knapp einem Jahr wurde von der Parteibasis aus ein Mitgliedervotum zum Austritt aus der Ampelkoalition initiiert. Am Ende konnte dies nur eine knappe Mehrheit verhindern.
Herbst der Entscheidung: FDP will klare Zugeständnisse von Scholz
Aber ist es jetzt an der Zeit? Ganz ausgeschlossen ist das nicht. Der Ton in Scholz‘ Koalition wird jedenfalls nun wieder schärfer. „Wir haben in unserem Land wichtige Fragen, die noch nicht geklärt sind“, sagte Djir-Sarai. Er nannte eine wirtschaftliche Wende und den Erhalt des Wohlstands in Deutschland. „Und natürlich das große Thema Migration. Und die Menschen erwarten konkrete Lösungen und Entscheidungen.“ Es brauche schnelle Lösungen. Er sagte: „Deswegen wird es jetzt einen Herbst der Entscheidungen geben.“
Damit setzt die FDP ihren beiden Partnern SPD und Grüne die Pistole auf den Kopf. Denn was passiert, wenn die Entscheidungen nicht zu Gunsten der Liberalen ausfallen? Schon vor der Brandenburger Wahl hatte es mehrfach Gerüchte gegeben, dass die FDP im Falle einer Niederlage aus der Ampel-Koalition aussteigen könnte – ähnlich wie die Liberalen es 1982 taten, als sie der SPD abschworen und sich der CDU von Helmut Kohl anschlossen.
Geht es nach FDP-Vize Wolfgang Kubicki, ist das Szenario auch nicht unrealistisch. Der Politiker gibt der Koalitionsregierung mit SPD und Grünen nur wenige Wochen Zeit, um grundlegende Probleme in der Wirtschafts- und Migrationspolitik zu lösen. „Es gibt völlig unterschiedliche Auffassungen darüber, wie man die Wirtschaft wieder in Gang bringt und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt. Und entweder schaffen wir es in den nächsten 14 Tagen, drei Wochen tatsächlich, hier einen vernünftigen gemeinsamen Nenner zu finden, oder es macht für die Freien Demokraten keinen Sinn mehr, weiterhin an dieser Koalition mitzuwirken“, sagte Kubicki am Sonntag in Weltfernsehen.
Das Abschneiden der FDP bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und nun auch in Brandenburg könne man nicht schönreden. Dreimal in Folge um ein Prozent zu liegen, bedeute, „dass die Freien Demokraten marginalisiert sind“. Er verwies aber auch auf das Abschneiden der Grünen und sagte: „Die Leute haben die Nase voll von der Ampelkoalition.“
Für die FDP und ihre Wähler sind Ampelkoalition und Grüne Gift. Doch sofort den Stecker ziehen müsse die Partei nicht. Er sagte: „Die Entscheidungen fallen in diesem Herbst und ich glaube nicht, dass diese Koalition mit der jetzigen Performance bis Weihnachten durchhält.“ Kubicki warf den Grünen vor, in der Migrationspolitik die Realität zu ignorieren. Kubicki sagte: „Die AfD ist nicht stark geworden, weil sie so toll ist, sondern weil wir, weil die Ampelkoalition, auch in der Migrationspolitik versagen.“ (jkf)