Verkehrstechnisch war Berlin bereits am Sonntagnachmittag auf dem Höhepunkt. Als in einer vollen S-Bahn Richtung Olympiastadion lautstark ein „Biertransport“ angekündigt wurde, gelangte die Flasche tatsächlich unfallfrei und unter großem Jubel vom Absender durch unzählige Hände zum vorgesehenen Empfänger am anderen Ende des Wagens.
„Beim Fußball wäre die Flasche nur halbvoll angekommen“, sagte ein Passagier im Trikot der Green Bay Packers-Fußballmannschaft sowohl grinsend als auch anerkennend.
Tatsächlich erinnerte ein Teil des NFL-Spiels zwischen den Indianapolis Colts und den Atlanta Falcons an Football, aber nicht alles. Obwohl der Himmel über Berlin am Sonntag noch recht grau blieb, war es außerhalb und innerhalb des Stadions bemerkenswert bunt. Trikots fast aller Teams der National Football League waren in zahlreichen Farben vertreten. Und wem die Temperatur mit maximal neun Grad zu kalt war, der konnte seinen Kopf unter einer Mütze mit dem Logo seiner Lieblingsmannschaft wärmen.
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Fans besuchte das Spiel im Olympiastadion
Unter den Besuchern herrschte eine entspannte, fröhliche Stimmung; Niemand musste Angst haben, in Colts-Blau, Packers-Grün oder Chiefs-Rot aufzutauchen. Im Fußball soll es manchmal anders sein; Trikots von zwei Mannschaften sind bei normalen Zweitligaspielen von Hertha BSC eher die Ausnahme.

© AFP/Odd Andersen
Allerdings hatte die Freude, dem ersten regulären Saisonspiel der US Football League in Berlin beiwohnen zu dürfen, auch ihren Preis. Ein Bills-Fan aus Schleswig-Holstein gab an, „250 Euro für das Ticket“ gezahlt zu haben. Zusammen mit seinem Kumpel im 49ers-Trikot waren schon 500 Euro weg. Hinzu kamen die Kosten für Anreise und Unterkunft. „Und wir müssen noch etwas essen und trinken“, sagten die Fans und zeigten auf ihre halbvollen Bierbecher.
Doch die Colts dominierten im Stadion und auf dem Papier war es ein Heimspiel für das Team aus Indianapolis. Und die ehemalige Mannschaft von Berlins ehemaligem Fußballprofi Björn Werner wurde deutlich stärker angefeuert als die Gäste aus Atlanta.
Der Fokus liegt auf dem NFL-Erlebnis
Das Spiel war irgendwie nur ein nettes Extra. Der Fokus an diesem Tag lag eindeutig auf dem NFL-Erlebnis. Und Sport ist nur das eine, schließlich war die US-Liga die ganze Woche über überall in Berlin präsent.

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Und so feierten vor allem die Fußballfans sich selbst. Stets belebt durch den konstanten Sound aus den Lautsprechern und einen Play Caller, der jeden Spielzug für die Zuschauer zusammenfasste – natürlich auf Englisch. Auch die deutschen Befindlichkeiten wurden ausreichend berücksichtigt. So spielte Musiker Malik Harris passend zum 9. November vor dem Anpfiff ein paar Takte aus dem Scorpions-Klassiker „Winds of Change“.
Scooters Leistung nach dem ersten Touchdown für die Indianapolis Colts war jedoch eher schockierend als berührend. Der deutsche Partybarde spielte nach dem 6:0-Sieg ein paar Schläge seines Liedes „Maria (I like it Loud)“, weil das US-Team damit tatsächlich seine Touchdowns zu Hause feiert.
Das Spiel der ersten/zweiten Halbzeit wird von der S-Bahn präsentiert.
Anzeigen kurz vor der Halbzeit und kurz vor dem Ende des NFL-Spiels.
Zur Halbzeit war schließlich der australische Rapper The Kid Laroi an der Reihe, der zwei seiner Songs spielte. Für eine echte Show wie den Super Bowl in den USA fehlte bei diesem und den anderen NFL-Spielen in Deutschland noch einiges.
Bis dahin waren bereits 90 Minuten vergangen, die Schlussphase des Fußballs hätte begonnen und an diesem Sonntag hatte gerade die zweite Halbzeit begonnen. Nach über drei Stunden war das Spektakel zu Ende und die Zuschauer hatten das volle Unterhaltungsangebot für ihr Geld bekommen.
Und am Ende hatten sie ein wirklich spannendes Spiel gesehen, in dem sich die Colts nach Verlängerung mit 31:25 gegen die Falcons durchsetzten. Der Biertransport dürfte auf dem Rückweg der einen oder anderen Prüfung ausgesetzt gewesen sein.
