In Thüringen zeichnet sich eine Koalition aus CDU, SPD und BSW ab. Doch das „Brombeerbündnis“ wird es schwer haben: Das liege nicht nur an der starken AfD, meint ein Experte.
Erfurt – Neue Realitäten erfordern Kreativität: Was in Thüringen entsteht, nennt sich nun „Brombeerbündnis“. Bisher bekannte und bewährte Koalitionen sind nach der Thüringen-Wahl nicht mehr möglich, Grüne und FDP sind aus dem Landtag geflogen. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt bereitet sich auf seinen Posten als neuer Ministerpräsident vor, seine Partei führt nun Gespräche mit der SPD und Wagenknechts neuer Partei BSW. Schwarz-Rot-Lila – Brombeere eben.
Brombeerkoalition mit Wagenknecht-Partei in Thüringen ohne eigene Mehrheit
Doch mit 44 von insgesamt 88 Stimmen im Landtag fehlt der Brombeer-Koalition eine eigene Mehrheit, um etwa eigenständig Gesetze verabschieden zu können. Das macht das Regieren schwierig – und die CDU hat kategorisch ausgeschlossen, die Linke ins Koalitionsboot zu holen.
Die rechtsextreme AfD hingegen hat mit 32 Sitzen erheblichen Einfluss. An Gesprächen mit ihr im Parlament werde man nicht vorbeikommen, sagen Insider. Und schließlich: Sahra Wagenknecht will an Sondierungsgesprächen teilnehmen – Voigt hatte dies zuvor im Gespräch mit dieser Redaktion allerdings zum No-Go für Koalitionsverhandlungen erklärt. Pattsituation – wie geht es nach der Wahl in Thüringen weiter?
Einigungen mit der Linken im Thüringer Landtag möglich
Der Politikberater Johannes Hillje verfolgt die Entwicklungen aufmerksam. Er sagt IPPEN.MEDIA: „Eine CDU-BSW-SPD-Koalition könnte Vereinbarungen mit der Linken treffen. Das hat die CDU nicht ausgeschlossen.“ Mit 44 Stimmen könnte diese Koalition im Landtag theoretisch Gesetze verabschieden, denn dafür reiche eine einfache Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. „Zur Pattsituation kommt es nur, wenn alle Abgeordneten anwesend sind und AfD und Linke gemeinsam ein Gesetz ablehnen.“ Allerdings hatte Linken-Chef Bodo Ramelow bereits im Vorfeld angekündigt, mithelfen zu wollen, stabile Verhältnisse zu schaffen – sprich: im Zweifel Mehrheitsbeschaffer für die Blackberry-Koalition zu werden.
„Normalisierung der AfD“ und Höcke wegen Sperrminorität
Hillje sieht allerdings die Gefahr einer „weiteren Normalisierung der AfD“, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Thüringen als rechtsextrem eingestuft wurde. Denn die Partei verfügt über eine Sperrminorität: Als stärkste Kraft im Landtag mit 32 Sitzen hat sie großen Einfluss auf alle Entscheidungen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern. Etwa wenn es um Verfassungsänderungen geht. „Die AfD wird hohe Anforderungen stellen, wenn sie zu einer Zweidrittelmehrheit beitragen soll“, schätzt Hillje. Werden die Forderungen nicht erfüllt, könne die AfD Regierungsinitiativen blockieren.
„AfD-Chef Björn Höcke hat die Sperrminorität seiner Partei bereits als gestaltende Minderheit bezeichnet. Voigt und die CDU sollten das als klare Bedrohung empfinden“, sagt Experte Johannes Hillje. Ein möglicher Ministerpräsident Voigt müsse sich daran messen lassen, ob es ihm gelinge, einer rechtsextremen Partei mit Sperrminorität möglichst wenig Einfluss einzuräumen. „Dafür sind in Thüringen demokratisches Geschick und Standhaftigkeit für die nächsten Jahre gefragt.“
BSW wird autoritär geführt von „Sahra Wagenknecht“
Geschick braucht Voigt auch in den Verhandlungen mit dem BSW. Der Einfluss der Namensgeberin der Partei ist groß, Sahra Wagenknecht hat deutlich gemacht, dass sie an Koalitionsgesprächen teilnehmen will. CDU-Chef Mario Voigt dürfte das ein Dorn im Auge sein. Kurz vor der Thüringen-Wahl sagte er im Gespräch mit dieser Redaktion: Solange von Berlin oder Saarbrücken aus – Wagenknecht lebt im Saarland – darüber entschieden werde, was in Thüringen zu tun sei, gebe es keine Diskussionsgrundlage. „Sahra Wagenknecht ist generell dafür bekannt, Dinge eher kaputt zu machen, als aufzubauen“, so Voigt.
Nun aber ist Voigt nach Berlin gereist, um mit Sahra Wagenknecht zu sprechen. Das ist gelinde gesagt ungewöhnlich. „Vom BSW geht vor den Koalitionsverhandlungen niemand zu Friedrich Merz“, kommentierte jüngst ein Beobachter aus dem Thüringer Landtag. Auch Johannes Hillje sieht Risiken: „Wagenknecht hat großen Einfluss auf die Verhandlungen in den ostdeutschen Ländern. Auch wenn der BSW das behauptet, wird diese Partei von Wagenknecht autoritär geführt.“ Für die Politikerin sind die Verhandlungen auf Landesebene auch deshalb so wichtig, weil sie entscheidend für ihre Ausgangsposition für den Bundestagswahlkampf sind. „Eine Regierungsbeteiligung auf Landesebene ist ein Risiko für jeden populistischen Bundestagswahlkampf“, so Hillje. Denn: Scheitert die Brombeerpartei in Thüringen, wirft das ein schlechtes Licht auf den BSW als Ganzes.