Stammt das Coronavirus aus einem Labor in Wuhan oder einem Wildtiermarkt in der Stadt? Diese Debatte hat nun neuen Schwung erhalten. Ein Unterausschuss des US-Repräsentantenhauses ist zu dem Schluss gekommen, dass das Virus möglicherweise aus Versuchen der sogenannten Gain-of-Function-Forschung entstanden ist. Ein entsprechender 520-seitiger Abschlussbericht des „House Select Subcommittee on the Coronavirus Pandemic“ wurde am Montag nach zweijähriger Arbeit veröffentlicht.
Der von der Republikanischen Partei geleitete Unterausschuss befasste sich zwei Jahre lang mit verschiedenen Aspekten der Pandemie und ihren Auswirkungen in den Vereinigten Staaten. Abschließend äußerten die Autoren die Hoffnung, dass ihre Arbeit als „Fahrplan für den Kongress, die Exekutive und den Privatsektor“ dienen werde, um „sich auf künftige Pandemien vorzubereiten und darauf zu reagieren“.
Der Unterausschuss stützte sich unter anderem auf biologische Eigenschaften des Virus und Erkrankungen von Forschern des „Wuhan Institute of Virology“ im Herbst 2019. Im nun veröffentlichten Bericht heißt es weiter: Wenn es Hinweise auf einen natürlichen Ursprung von Sars gäbe -Cov-2, es wäre so, dass diese bereits öffentlich geworden sind. Tatsächlich vertritt eine Gruppe US-Wissenschaftler seit einiger Zeit die sogenannte Markttheorie, wonach das Virus von Wildtieren auf den Menschen übergegangen sei. Ein in diese Richtung gerichteter Artikel erschien kürzlich in der Zeitschrift Cell. Die Wissenschaftler sammelten Hinweise, die auf eine zoonotische Erkrankung schließen ließen.
Einen ähnlichen Vorstoß hatten Forscher dieser Gruppe bereits im März 2020 in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ gemacht. Sie werteten die Genomsequenz des Coronavirus aus und schrieben in ihrer Zusammenfassung: „Unsere Analysen zeigen eindeutig, dass Sars-CoV-2 kein Laborkonstrukt ist bzw.“ ein absichtlich manipulierter Virus.“ Interne E-Mails und Nachrichten auf der Website bewiesen, dass sie selbst nicht an die damalige Slack-Plattform glaubten, die inzwischen öffentlich geworden ist und Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Repräsentantenhaus ist.
Im Anschluss an den aktuellen Artikel in der Zeitschrift Cell unterzeichneten 21 weitere Wissenschaftler aus Europa und den USA einen schriftlichen Protest. Darin hieß es: „Wir fordern Cell auf, einen redaktionellen Kommentar zu dieser Arbeit abzugeben und eine Untersuchung dieser Arbeit im Hinblick auf eine mögliche Rücknahme einzuleiten.“
Roland Wiesendanger war einer der Unterzeichner. Bereits zu Beginn der Pandemie hatte der renommierte deutsche Nanowissenschaftler in einer Studie festgestellt, dass das Coronavirus wahrscheinlich aus einem Labor in Wuhan stamme. Dafür musste Wiesendanger vor allem aus den Medien heftige Kritik einstecken.
Die Suche nach dem Ursprung der Corona-Pandemie ist weit mehr als eine akademische Frage; In der Debatte darüber geht es um viel mehr als nur um das Prestige, einer Theorie zum Durchbruch zu verhelfen. Es geht um einen Streit, der zum sogenannten Gain-of-Function führt. Diese Art medizinischer Forschung wird nicht nur in Wuhan betrieben.
Im Mittelpunkt steht die Anpassung von Krankheitserregern an den menschlichen Organismus. Sie werden so manipuliert, dass sie eine größere Gefahr darstellen. Damit werde ihrer natürlichen Entwicklung vorgegriffen, etwa um Impfstoffe vorab testen zu können, sagen die Befürworter. Kritiker entgegnen, dass das Risiko einer Pandemie durch solche Experimente deutlich steige.
Unterausschuss kritisiert die Rolle der WHO
In seiner politischen Bewertung bewertete der Unterausschuss des Repräsentantenhauses auch die Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Debatte über den Ursprung der Pandemie. Die WHO stellte die politischen Interessen der Kommunistischen Partei Chinas über ihre Mission, die globale Gesundheit zu fördern. Mehr noch: Sie erlaubte den Chinesen sogar, die Ermittlungen zum Ursprung des Virus zu kontrollieren.
Den Vorsitz im Unterausschuss des Repräsentantenhauses führt der republikanische Abgeordnete Brad Wenstrup. Der 66-Jährige vertritt den US-Bundesstaat Ohio. Der Ausschuss wird den Bericht an diesem Mittwoch diskutieren.
