Herbstferien werden immer beliebter. Die Reiselust der Deutschen im Oktober und November verändert langsam aber sicher die Tourismusbranche.
Wenn es hier in Deutschland nass und bewölkt wird, löst das bei vielen Menschen Fernweh aus. Und so hat sich der Herbst in den letzten Jahren zu einer immer beliebter werdenden Ferienzeit entwickelt. Viele Deutsche zieht es besonders dorthin, wo es noch warm ist und die Sonne scheint.
„Viele Familien nutzen derzeit die Herbstferien, um noch einmal zu verreisen, um den Sommer zu verlängern. Reisende aus Bundesländern mit mehr als einer Woche Urlaub buchen zunehmend Fernreisen und Kreuzfahrten“, sagt Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbandes.
Ruhe und angenehme Temperaturen
„Die Herbstferien zeigen deutlich, dass sich jeder Sonne, Strand und Meer wünscht – auch abseits der klassischen Sommermonate. Urlaubsziele mit hoher Wettersicherheit rund um das Mittelmeer stehen bei Reisenden besonders hoch im Kurs“, sagt Steffen Boehnke von TUI Deutschland. Besonders beliebt sind Ziele in der Türkei, auf den griechischen und spanischen Inseln sowie in Ägypten.
Dass der Herbst bei Touristen immer beliebter wird, liegt an verschiedenen Aspekten, sagt Michael Buller, Vorstandsmitglied des Internet Travel Association. Einerseits, weil diese beliebten Sommerziele für viele Menschen jetzt zu heiß wären. „43 Grad dürften etwas schwer auszuhalten sein. Jetzt haben wir an den gleichen Stellen etwa 20 bis 22 Grad.“
Andererseits schätzen Urlauber, dass im Herbst weniger los ist. „Und natürlich ist die Nebensaison immer günstiger als die Hochsaison“, sagt Buller. Derzeit bekommt man in der Türkei ein gutes Vier-Sterne-Hotel für nur 370 Euro für fünf Tage. Im Sommer zahlt man gut zehn bis zwanzig Prozent mehr.
Fünfzig Prozent des Umsatzes im Sommer
Dieses gestiegene Interesse spiegelt sich dann auch in den Zahlen wider. Der Internet Travel Association gibt an, dass im Monat Oktober im Vergleich zu 2019 ein durchschnittlicher Umsatzanstieg von 75 Prozent zu verzeichnen war. Auch in der Sommersaison beobachtete der Verband einen starken Umsatzanstieg. Aber: „Man erkennt eine deutliche Verschiebung in den Oktober, der letztes Jahr auch unser umsatzstärkster Monat war“, sagt Buller.
TUI, Europas größter Touristikkonzern, kann diesen Betrag nicht bestätigen. Im Vergleich zu 2019 sei die Herbstsaison ein Plus von rund 25 Prozent, schätzt Aage Dünhaupt, Sprecher des Unternehmens. Es sei nicht so, dass der Herbst das klassische Feiertagsgeschäft überholen werde, sagt er.
Fünfzig Prozent des Umsatzes werden in der Hochsaison im Juni, Juli und August getätigt. Im Vergleich zum Sommer sei die Nachfrage in den Herbstmonaten durchaus überproportional gestiegen, sagt Dünhaupt. Seit der Corona-Zeit erfreut sich das Reisen in den Herbstferien immer größerer Beliebtheit.
Urlaubsregionen Schätzen Sie die Nebensaison
Das wiederum liegt nicht nur am herbstlichen Fernweh hierzulande. „Die Tourismusminister in Griechenland oder Spanien etwa wollen mehr Tourismus, auch im Frühjahr.“ Sie hoffen, dass die Urlaubsregionen im Sommer entlastet werden können, sagt Dünhaupt.
Deshalb können wir jetzt beobachten, dass einige Ferienregionen länger geöffnet sind. Auf Ibiza beispielsweise sei die Saison nun im Oktober langsam vorbei, sagt Dünhaupt. Die ersten Hotels schließen zu diesem Zeitpunkt ihre Türen. Andere wiederum bereiten sich auf Herbsturlauber vor.
Für den Reiseanbieter müsste dann auch geprüft werden, welche Airlines so spät in der Saison noch fliegen. Eine Wechselwirkung, sagt Dünhaupt. Als großes Touristikunternehmen kann TUI zumindest helfen: Das Unternehmen berichtet, dass die eigene Fluggesellschaft in diesem Jahr zur „Sommerverlängerung“ über 60 zusätzliche Flüge anbieten wird.
Der Tourismus erholte sich nach der Pandemie deutlich
Die Tourismusbranche ist mit der Entwicklung nach den starken Einschnitten während der Corona-Zeit zufrieden.
In den letzten beiden Jahren seien Nachholeffekte spürbar gewesen, mittlerweile steige die Reisenachfrage jedoch generell wieder, sagt Torsten Schäfer. Nach den Einschränkungen während der Pandemie freuen sich die Menschen darauf, wieder ohne Einschränkungen reisen zu können. „Das sieht man insbesondere an den deutlich steigenden Buchungszahlen für Auslandsreisen und insbesondere für Fernreisen“, sagt Schäfer.
80 Prozent der Deutschen waren im vergangenen Jahr mindestens fünf Tage unterwegs, so eine Analyse des Internet Travel Industry Association: Insgesamt waren das 56,4 Millionen Urlaubsreisen – mehr als je zuvor. Gleichzeitig gab es jedoch weniger Menschen, die eine zweite oder dritte Reise unternahmen. Insgesamt lag die Zahl der Fahrten noch unter dem Niveau von 2019.
Herbsttourismus wird längerfristig Trend
Nicht ohne Grund: Die Preise seien zwischen 2019 und 2025 um 40 Prozent gestiegen, sagt Michael Buller. Das kann sich nicht jeder einfach leisten. Vielleicht ist das ein Grund, warum es die Leute mehr in die Nebensaison zieht. Buller glaubt jedoch immer noch nicht, dass die erhöhte Nachfrage den Herbst bald so teuer machen wird wie den Sommer.
Die Hochsaison im Sommer ist auch deshalb so teuer, weil Familien mit Schulkindern an die Ferienzeiten gebunden sind – dadurch kommt es in den Ferienzeiten zu einer hohen Urlauberkonzentration. „Wenn es sich ein wenig bessert, ist das vielleicht gar nicht so schlecht.“
Er glaubt, dass das Interesse am Urlaub in der Nebensaison die gesamte Branche längerfristig verändern wird. „Vielleicht sehen wir auch Reiseziele, die bis Dezember geöffnet sind und zuvor im Oktober geschlossen haben.“ Für alle, die bei der Urlaubsplanung flexibel sind, eröffnen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten – vor allem, wenn es darum geht, der tristen Herbststimmung in Deutschland zumindest vorübergehend zu entfliehen.