„Viele Leute sind genervt“
Chef der Jungen Union schießt gegen Merkel
7. November 2025, 23:04 Uhr
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Angela Merkel sah sich bereits im Oktober scharfer Kritik ausgesetzt. Die Aussagen des Altkanzlers in einem Interview mit einem ungarischen Portal zu den Gründen für den russischen Einmarsch in der Ukraine stoßen auf breites Unverständnis. Nun verschärft Junge-Union-Chef Winkel seine Kritik.
Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, hat die öffentlichen Äußerungen der ehemaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel kritisiert. „Es ist außergewöhnlich, wie oft sie sich in die Tagespolitik einmischt“, sagte der Vorsitzende der CDU-Jugendorganisation dem „Spiegel“. „Diese Aussagen wären glaubwürdiger, wenn sie auch Selbstkritik üben würde.“
Winkel verwies in diesem Zusammenhang auf die in Merkels Amtszeit gewachsene Energieabhängigkeit von Russland und auf Merkels Ukraine-Politik: „Zuletzt der Großauftritt mit Viktor Orban in Budapest und ihre Kritik an Polen. Viele fragen sich: Was genau will sie damit erreichen?“
Zu Merkels möglichen Beweggründen sagte der JU-Chef: „Vielleicht hat sie ein schlechtes Gewissen, vielleicht versucht sie, ihren Eintrag in die Geschichtsbücher zu retten.“ Winkel sagte, er bezweifle, dass dies möglich sei, wenn sich ein Altkanzler ständig in laufende Debatten einmische. Klar sei aber: „Viele in der Union sind davon genervt.“
Trotz der angespannten Beziehungen zu Merkel empfing Ungarns Ministerpräsident Orban die ehemalige Kanzlerin Anfang Oktober in seiner Amtsresidenz in Budapest. Anlass für Merkels Besuch in Ungarns Hauptstadt war die Präsentation der ungarischen Übersetzung ihrer Memoiren.
Orban teilte auf seiner Facebook-Seite Bilder von dem Treffen, auf denen beide Politiker unter anderem dabei zu sehen sind, wie sie vom Hügel in Buda, wo sich der Regierungssitz befindet, den Blick auf die Donau bewundern. Orban schrieb: „Einmal Kanzler heißt für uns immer Kanzler. Willkommen in Ungarn, Angela Merkel.“
Estland weist Merkels Äußerungen entschieden zurück
In einem zuvor veröffentlichten Interview mit dem ungarischen Portal „Partizán“ sagte der Ex-Kanzler, Polen und die baltischen Staaten seien mitverantwortlich für den Angriff des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Ukraine. Sie behauptete, sie hätten ein von ihr für 2021 geplantes neues Dialogformat mit Russland blockiert. Merkel wurde daraufhin vorgeworfen, im Ukraine-Krieg die Täter-Opfer-Rolle vertauscht und wie Moskaus Handlanger Orban gesprochen zu haben.
Estlands Außenminister Margus Tsahkna wies Merkels Aussagen als empörend und falsch zurück. Der Grund für die umfassende Aggression Russlands sei Putins Unfähigkeit, den Zusammenbruch der Sowjetunion zu akzeptieren, sowie der frühere Wunsch westlicher Länder, mit Putin zu verhandeln und sein Vorgehen zu ignorieren, sagte er in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes in Tallinn. Weder der Krieg in Georgien im Jahr 2008 noch die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 stießen auf heftige Reaktionen. Auch in den anderen beiden baltischen Staaten Lettland und Litauen wurden Merkels Äußerungen kritisch gesehen.
