Weltmeister, Gewinner der UEFA Champions League – und beim VfB Stuttgart zum absoluten Profi gereift. Sami Khedira hat eine beeindruckende Karriere hingelegt. Wurzeln in Cannstatt, Sternstunden in Madrid. Das Spiel am Dienstagabend (17. September, 21 Uhr, im VfB Radio und VfB Liveticker) zwischen Real und dem VfB ist deshalb für ihn etwas ganz Besonderes. Gerne nahm er sich im Interview viel Zeit, um den „Mythos Real Madrid“ zu erklären und persönliche Einblicke in seine Zeit bei den „Königlichen“ zu geben.
Real Madrid – das ist nicht nur ein großer Name, sondern auch der wohl attraktivste Verein im europäischen Fußball. Was macht den „Mythos Real“ so einzigartig?
Sami Khedira: „Real Madrid setzt in jeder Hinsicht Maßstäbe. Wir können beim Fußball anfangen: Nur die besten Spieler bekommen die Chance, das Real-Trikot zu tragen, so wie es damals Alfredo Di Stéfano tat. Der Verein hat unzählige Titel gewonnen, gehört seit Jahrzehnten zur Weltspitze und ist Rekordsieger der UEFA Champions League. Größer geht es nicht, das ist ein Traumlos. Beeindruckend finde ich auch, dass der Verein nicht stehen bleibt, sondern sich sportlich, wirtschaftlich und emotional immer wieder neu erfindet und Vorreiter ist. Die Marke Real Madrid fasziniert Menschen auf der ganzen Welt. „Bernabéu“ wurde kürzlich in eine der modernsten Arenen der Welt verwandelt – Fußball steht im Mittelpunkt, aber durch den Umbau ist daraus eine Multifunktionsarena geworden, in der morgen ein NFL-Footballspiel und übermorgen ein Konzert stattfinden kann. Das Gesamtkonzept von Real Madrid ist beeindruckend.“
Sie haben das „Estadio Santiago Bernabéu“ erwähnt. Mit 23 Jahren sind Sie von Stuttgart nach Madrid gewechselt. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Spiele an diesem Ort?
Sami Khedira: „Allein die Architektur ist beeindruckend. Als Spieler blickt man auf diese steilen Tribünen und Terrassen und erkennt, dass es ein absolutes Geschenk ist, hier spielen zu dürfen. Dazu kommt die Magie und Geschichte, die das „Bernabéu“ in sich selbst bestehen und auch verbindlich sind.“
Das klingt nach tollen Momenten und Emotionen…
Sami Khedira: „Ja, auf jeden Fall. Für mich sind die Spiele im ‚Klassiker‘ eien Nächte in der UEFA Champions League sind erstklassig. Das Stadion ist an diesen Abenden erfüllt von einer ganz besonderen Atmosphäre. Als Zuschauer spürt man das auch: Ich habe letzte Saison das Viertelfinale von Real gegen Manchester City und das Halbfinale gegen Bayern München live im Stadion erlebt. Die Magie im „Bernabéu“ Ich bin heute noch genauso aufgeregt wie damals, als ich Spieler war.“
Wie tritt man als gegnerische Mannschaft in diesem Stadion und gegen einen Gegner auf, der fast ausschließlich aus Topspielern besteht?
Sami Khedira: „Aus meiner Sicht gibt es nur eine Lösung: Sei mutig! Ich weiß, dass „Bernabéu“ als Real-Spieler, aber ich kenne es auch als Gegner mit Juventus Turin. Sobald das Ambiente und die ganze Kulisse einschüchternd wirken, hast du verloren. Der Schlüssel ist, die Magie im Stadion zu nutzen und in einen „Flow“ zu kommen. Real Madrid kann in diesem Stadion jederzeit etwas Besonderes schaffen – auch in der 91., 92. oder sogar 97. Minute. Mut und absolute Konzentration sind der Weg, „Bernabéu“ bestehen.“
Mit den „Königlichen“ haben Sie in der Saison 2013/2014 die Champions League gewonnen. Trainer war Carlo Ancelotti – er wird auch am Dienstagabend an der Seitenlinie stehen. Wie haben Sie ihn als Spieler wahrgenommen?
Sami Khedira: „Als ich mir in der Saison 2013/2014 einen Kreuzbandriss zugezogen habe, war unklar, ob ich rechtzeitig zum Saisonfinale und der anschließenden WM fit sein würde. Natürlich war ich fest entschlossen, das zu schaffen – und Carlo Ancelotti hat mich in dieser Phase enorm unterstützt. Ich habe mich immer als ganz enger Teil der Mannschaft gefühlt, hatte ein klares Ziel vor Augen. Wir haben das Finale der UEFA Champions League erreicht, ich bin rechtzeitig zurückgekommen und Carlo Ancelotti hat so viel Vertrauen in mich gesetzt, dass er mich für dieses Spiel in die Startelf gestellt hat. Das war unglaublich, aber so ging es fast allen Spielern: Für diesen Trainer, für diesen Menschen gibst du als Spieler alles, weil er dir Vertrauen und Kraft gibt. Er trainiert keine Fußballer, er arbeitet mit Menschen – das ist sein Credo. Natürlich hat er viel Fußball-Sachverstand und kennt das ganze Geschäft, aber der große Unterschied liegt in seiner Art zu führen, zu kommunizieren und eine ganze Mannschaft – inklusive Staff – für eine Mission zu begeistern. Für mich als Spieler war er wie eine Vaterfigur. Er ist ohne Frage einer der besten Trainer der Welt.“
Die UEFA hat das Wettbewerbsformat weiterentwickelt. Statt einer Gruppenphase beginnt die Champions League nun erstmals mit einer Ligaphase, bevor die üblichen K.o.-Duelle folgen. Wie bewerten Sie das neue Format?
Sami Khedira: „Es ist sinnvoll, das neue Format erst am Ende der Saison wirklich zu bewerten. Aber das Grundprinzip gefällt mir sehr gut. Jedes Spiel ist wichtig – durch das neue Format gibt es keine relativ langweiligen Gruppenspiele mehr. Als Topteam willst du in der Ligaphase unter die besten Acht kommen, um direkt ins Achtelfinale einzuziehen. Dafür darfst du dir keine Fehler erlauben und musst in jedem Spiel das Maximum herausholen. Das erhöht die Attraktivität des Wettbewerbs noch einmal. Es wird wohl kein Taktieren mehr geben wie früher, als für manche Vereine das fünfte oder sechste Gruppenspiel keine wirkliche Bedeutung mehr hatte. Ich habe die Grundprinzipien des neuen Formats vor zwei Jahren kennengelernt und war schon damals davon überzeugt, dass die UEFA damit auf dem richtigen Weg ist.“
Viele Stuttgarter Fans werden nach Madrid reisen. Die Vorfreude auf dieses Spiel und auf die spanische Hauptstadt ist riesig. Was kannst Du – abseits des Sportlichen – für Madrid empfehlen?
Sami Khedira: „In all diesen Jahren habe ich erlebt, dass sowohl „Plaza Bürgermeister“ sowie ‚Puerta del Sol‘ sind beliebte Treffpunkte – vor allem für viele Fans, die tagsüber anreisen. Es sind wunderschöne Plätze mit toller Architektur, netten Cafés und einem typisch spanischen Flair. Dort kann man sich auf das Spiel freuen und sicherlich auch den einen oder anderen Sprechgesang anstimmen. Ansonsten kann ich nur jedem Fan empfehlen, sich auf den Weg zum „Bernabéu“ ein paar Minuten mehr als sonst in dieser besonderen Umgebung zu verbringen und einfach alles aufzusaugen.“
Wirst du beim UEFA Champions League-Spiel in Madrid dabei sein?
Sami Khedira: „Ich bin aus privaten Gründen bereits einige Tage früher nach Madrid gereist. Mein Fokus wird vor allem auf dem Sport und dem Austausch mit einigen Verantwortlichen liegen. Am Montagabend werde ich beim VfB-Willkommensempfang dabei sein und mir auch das UEFA Youth League-Spiel zwischen Stuttgart und Madrid im Stadion anschauen. Danach bin ich sehr gespannt, wie der VfB die Aufgabe im Bernabéu angehen wird.“